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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager.
Autoren: Felicitas Hoppe
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schreibt es auf, dem Dichter das Werk, dem Soldaten das Leben! Schiller erhebt sich vom Tisch, wirft Stift und Papier und pfeift seinen Kronenbitter wach, den armen Fourierschütz des armen Herrn Schiller, ein Mann, der sich auch nur wegtrinken möchte in weiter entfernte bessere Welten. Aber man lässt ihn hier nicht zur Ruhe kommen, Schillers Weinbringer, Schillers Zapfhahn, Schillers altes Mädchen für alles, der gehen muss, wenn kein anderer kann. Denn es ist etwas Großes im Anzug, eine richtige Revolution aus Papier, ganze Stapel von Blättern, mit schwerer schwarzer Tinte beschrieben. Kapf redet, Schiller schreibt auf, Geduld, Frau Vischer, warten Sie ab, der bringt Ihnen Ruhm und Ehre ms Haus.
    Auch Geld, schreit Kapf, der ungekrönte König der Schulden. Weil er weiß, was in den Papieren steht, der ist von Anfang an mit dabei gewesen, hat vor mir neben Schiller gelegen, Bett an Bett, Mann auf Mann, die ganze Akademie lag im Fieber, eine kleine beharrliche Seuche, das hat dem Herzog Verluste gebracht. Und wer nicht am Fieber gestorben ist, den hat die Langeweile gefressen, kein Hombre, kein Degen, kein Kronenbitter, nur Wasser und schlechte Träume, Fieberköpfe und stickige Luft, alles wie geschaffen zum Dichten. Plötzlich kommt wieder Leben ins Haus. Das Krankenzimmer gerät in Bewegung, Hasen und Krüppel und lahme Hunde, alles, was Herz hat, Gro- ßes zu wagen, jeder will eine Rolle spielen, einen anderen neuen Namen tragen, jeder möchte ein Räuber sein, ein Spiegelberg, Razmann, Grimm oder Schweizer, ein Schufterle, Roller, Kosinsky und Schwarz, am liebsten gleich auf die Bühne springen, zum Säbel greifen, das Pulverfass rollen.
    Was die Geschichte genauer enthält? Alles würde ich Ihnen verraten, könnte ich Schillers Handschrift entziffern, aber einmal dem Lazarett entkommen, wird wieder mit Wein, nicht mit Tinte geschrieben, so schwankend stehen die Buchstaben da. Vielleicht hat das Ganze auch Kapf hingeschmiert, denn was ich erkenne, die Geschichte ist alt: ein Vater, zwei Söhne, feindliche Brüder, der eine gut, der andere böse, der Böse hässhch, der Gute schön, der Gute die Augenweide des Vaters, der Böse sein hässhcher Stachel im Fleisch. Franz heißt die Kanaille, Galgen und Strick in einer Person, auf fünfzehn Männer kommt eine Frau, die sitzt auf dem Schloss und bewacht ihre Ehre, während draußen im Wald ein Bürgerkrieg tobt, den Reichen geben, den Armen nehmen, ein Traum von Füchsen für Hasen verfasst.
    Der Rest steht noch aus. Mord, Intrige, Totschlag, Verzweiflung, am Ende legt alles Hand an sich selbst, weil das in Deutschland so üblich ist. Die Dame wirft ihre Liebe ins Messer, der Vater muss im Verlies verfaulen, der Böse dreht sich selber den Strick, der Gute flicht sich reuig aufs Rad. Hohe Karlsschule! Die Freiheit ist nur ein Stück Papier, ein kleines Gedicht, ein Gedanke von Schiller, fröhlich von Kapf in Verruf gebracht. Der Rest der Bande zerstreut sich im Wald, weil die Räuber nur eine Schulklasse sind, die hoffnungslos auseinander fällt, sobald der Befehl von oben verstummt. Der eine nach Hause, der andre nach Holland, der dritte aufs Schiff.
    Für heute nur bis in den Bopserwald. Ich werde den Zwillingspicknickkorb packen, einen für Kapf und einen für Schiller, damit ihm der Mund nicht trocken wird, wenn er den letzten Akt deklamiert. Man muss Wein trinken unter freiem Himmel, schreit Kapf, wenn es eng wird zwischen den Beinen. Werfen Sie einen Blick auf die Zeichnung, und raten Sie, welcher es ist. Kniet er im Schatten oder sitzt er im Licht?

    Schiller ist letzte Nacht auf und davon, auf dem Esel des Ruhms dem Herzog entflohen. Hinterlassen hat er mir Kronenbitter, Kapf, seine Schulden und ein paar Gedichte, also alles, was nicht in die Tasche passt. Vielleicht werde ich einmal Geld daraus machen, denn letzte Woche war ich in Mannheim und habe heimlich Die Räuber gesehen, Schiller mit unterm Mantel, weil der Herzog ihm keinen Ausgang erlaubt. Das Publikum lag auf den Knien, die Herren gestiefelt, die Damen in Tränen. Und wie Schiller sich wegduckt unterm Applaus, sich heulend vor Freude nicht halten kann, wir trugen ihn nachher zu dritt.
    Die Rückreise über sprach er in Versen, als hätte ihn wieder das Fieber erwischt. Wie eng ihm alles geworden ist, die Brust so geschnürt und zum Teufel den Herzog, es drängt ihn hinaus in die Welt, womit er, damit man ihn richtig versteht, nicht die Welt, sondern nur das Theater meint. Der Mann misst die
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