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Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Titel: Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Autoren: Frieda Lamberti
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Hiob lässt grüßen
    »Komm rein, Bruno«, rufe ich meinen zotteligen Mischlingsrüden. Er soll das laute Bellen am Gartenzaun unterlassen. Es ist schließlich erst sieben Uhr am Morgen, als ich den Kaffee für mich und meinen Mann Steffen koche. Früher, als unser Sohn Frederik noch zu Hause wohnte, kümmerte sich mein Mann um das Frühstück. Er holte täglich frische Brötchen und verband den Weg zum Bäcker mit einem Hundespaziergang. Mittlerweile besteht unsere erste Mahlzeit am Tag aus einem Becher Kaffee im Stehen und der Hund pinkelt in den Garten. Aus dem Küchenfenster beobachte ich, wie ein großer Möbelwagen umständlich vor dem Nachbarhaus einparkt.
   »Ziehen die Kaltenbachs aus?« 
   »Nur Norbert«, sagt Steffen. Er ist mit den meisten Leuten in der Straße per Du. Als langjähriger Hausmann kennt er fast alle Anwohner persönlich und ist über die Geschehnisse in der Straße immer aktuell informiert.
   »Wieder ein Paar, das sich trennt.«
   »Elke bleibt mit den Kindern hier wohnen. Sie hat ihn mit einer Anderen erwischt.«
   »Diese Kurzstreckenläufer! Die wissen doch gar nicht, was sie ihren Kindern damit antun.« Ich weiß es. Ich selbst war ein Scheidungskind. Als ich mit achtzehn Jahren, gegen den Willen meiner Mutter, meine Jugendliebe heiratete, gaben mir Freunde und Bekannte nicht den Hauch einer Chance. Das liegt nun schon 26 Jahre zurück. Seit meiner Silberhochzeit zähle ich mich stolz zu den Langstreckenläufern.
   »Fünfundzwanzig Jahre glücklich verheiratet. Das gibt es doch nicht. Sie sind doch noch so jung«, wird mir oft gesagt. Gern würde ich antworten: »Stimmt, jung bin ich. Aber wer hat hier was von glücklich gesagt?« Seit Frederik vor vier Jahren mit seiner hochschwangeren Freundin Nadja auszog und einen eigenen Hausstand gründete, gibt es nur noch zwei Themen zwischen uns Eheleuten. Die Enkelkinder und die Frage, was es zum Abendessen geben soll. Mehr gemeinsame Interessen entdecke ich beim besten Willen nicht. Auch unser Liebesleben hat sich der neuen Rolle schnell angepasst. Leidenschaft und Erotik finden zwischen Oma und Opa kaum noch statt.
   »Wie kann dieser Egoist nur so kurz vor Weihnachten ausziehen?« Ich blicke noch einmal verärgert zu Norbert, der den Möbelpackern auf der Straße lautstarke Anweisungen gibt.
   »Es nützt nichts, ich muss los, sonst stehe ich wieder stundenlang vor dem Elbtunnel im Stau.« Mit einem Griff schnappe ich mein Schlüsselbund von der Fensterbank und verschwinde in die eisige Kälte.
   »Guten Morgen, Frau Simon«, ruft Norbert mir zu und fügt an, »machen Sie es gut.« Aber ich würdige ihn keines Blickes und wünsche dem Fremdgeher im Vorbeifahren, ihm möge der Pimmel abfaulen.

Heikes Blumenstübchen ist noch geschlossen. Ich warte im Auto bei laufendem Motor und ärgere mich darüber, dass sich die Blumenhändlerin verspätet. Es war doch fest vereinbart, dass für mich schon vor Ladenöffnung ein kleiner Weihnachtsstrauß bereit stehen sollte. Im Rückspiegel sehe ich sie mit ihrem grünen Kleintransporter vorfahren.
   »Tut mir wirklich leid, Frau Simon. Heute war auf dem Blumengroßmarkt der Teufel los. Ich beeile mich. Kommen Sie doch noch kurz mit rein.« In Windes Eile zaubert die Floristin aus Blättern, Tanne, Äpfeln, Zimtstangen und weißen Christrosen ein zauberhaftes Arrangement. »Wunderschön«, lobe ich sie und bezahle mit einem zwanzig Euro Schein.
 
    Beeilung ist angesagt, um nicht als Letzte zum Treffen meiner Franzosen anzukommen. Normalerweise findet mein Sprachkurs wöchentlich am Donnerstagabend in der Volkshochschule statt und ist die einzige Abwechslung in meinem eingefahrenen Leben. Gemeinsam mit vier Frauen und zwei Männern lerne ich seit zwei Jahren französische Vokabeln, Grammatik und die richtige Aussprache. Zum Jahresabschluss verabredeten wir uns im Café Wendt zum Frühstücken. Der Blumenstrauß ist als Dankeschön für die geduldige Kursleiterin gedacht. Hannelore, die Älteste aus der Gruppe hatte vorgeschlagen, Julklapp zu machen. Aber die Meisten waren dagegen. »Diese sinnlose Geschenke Austauscherei ist doch grauenhaft«, fand Gerd. Damit war die Sache vom Tisch. Zu Silvia entwickelte sich im Laufe der Zeit eine engere Freundschaft. Sie ist zwei Jahre jünger als ich und glücklich geschieden. Ihre Tochter lebt beim Exmann in ihrer Heimatstadt Erfurt, sodass sie sich zu siebzig Prozent ihrem Beruf als Systemadministratorin widmen kann.
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