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Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Titel: Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Autoren: Frieda Lamberti
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sich entschied, das gleiche Spiel noch einmal mit den zahlreichen Schinken Delikatessen zu wiederholen.
   »Das geht zu weit«, poltere ich in bester Karlscher Art. »So langsam sollten Sie doch mal satt sein. Merken Sie eigentlich noch was? Sie halten hier seit einer Ewigkeit den Laden auf. Gucken Sie mal raus! Die Schlange reicht fast bis zu den Elbbrücken.« Der Einscheiben-Wurst-Besteller dreht sich um und zieht einen Bonbon aus seiner Manteltasche, den er ihr mit einem Lächeln überreicht.
   »Das ist ein Kräuterlutschbonbon mit Baldrian. Der sollte Ihnen helfen, sich zu beruhigen.« Danach wendet er sich wieder der Fleischerfrau zu. Ob sie ihn auch beim Käse bedienen würde, will er wissen.
   »Nein, mein Herr, dort bedient Sie mein Mann gern weiter.« Diese kluge und hellsichtige Frau bewahrt mich davor, schwere Körperverletzung zu begehen.
   »Ich möchte Sie bitten, die Bestellung für Simon, Eichenalle 17, zu stornieren. Unsere Pläne haben sich kurzfristig geändert. Tut mir leid.« Ich steige wieder ins Auto und während meiner Fahrt zur Vinothek, ärgere ich mich über diesen dreisten Testesser. Schnell wechsel ich das Thema und denke daran, dass ich bald zum dritten Mal Oma werde. An der roten Ampel muss ich warten und wickel das Kräuterbonbon aus. Ich lutsche es kurz an, um es dann mit voller Wucht zu zerbeißen.
   »Nicht genug Baldrian drin, um die Babynachricht aus dem Kopf zu bekommen!«

Kerstin und Herbert Kunstmann führen nicht nur die leckersten Weine in ihrem Sortiment. Ihr Geschäft versprüht auch eine so authentische Atmosphäre, dass ich mich bei ihnen wie im Süden fühle, wenn ich auf ein Glas bei ihnen einkehre. Ich liebe es, Herbert zuzuhören, wenn er von seinen Exkursionen in die mediterranen Weinregionen berichtet. Kerstin begrüßt mich mit ausgestreckten Armen.
   »Willst du heute schon den Wein abholen?« Ich schüttle den Kopf. Bevor ich in die Einzelheiten gehen kann, brauche ich dringend ein Glas vom offenen Bardolino. Ich proste ihr zu und leere das Glas in zwei Zügen.
   »Darf ich mich wundern?«, fragt Herbert, der eine Sackkarre mit Kisten und Kartons in das Bistro schiebt. »Ich dachte immer, du bist der leichte Rosé Typ.«
   »Heute ist eben kein normaler Tag.« Ich berichte von dem nicht stattfindenden Familienfest und meinem Erlebnis beim Schlachter. Dazu gönne ich mir zwei weitere Gläser vom roten Rebensaft.
   »Möchtest du etwas knabbern?« Kerstin ist es nicht entgangen, dass ihre einzige Kundin im Geschäft schon recht beschwipst ist. Obwohl ich ablehne, stellt sie einen Teller mit Baguette, Salami, Camembert und Oliven auf den Tisch. »Bitte iss etwas!« Als ich zugreife, fragt sie mich nach meinen neuen Plänen fürs Weihnachtsfest?
   »Auf keinen Fall fahre ich mit in den Schnee! Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich mit meinem Mann die Festtage allein und ganz in Ruhe verbringen werde.«
   »Mehr Ruhe kann ich Ihnen nur empfehlen«, sagt eine dunkle Männerstimme. Ich drehe mich um und bekomme einen Schreck. Dicht hinter mir steht der Einscheiben-Wurst-Besteller. Ich greife mir an die Stirn und beginne lauthals los zu lachen.
   »Was kommt denn jetzt? Sagen Sie bloß, Sie wollen sich jetzt auch noch gratis durch das Weinsortiment trinken.« Ein lautes Lachen durchdringt den Verkaufsraum.
   »Das warst du?« Kerstin stellt mir den großgewachsenen Mantelträger, als ihren jüngeren Bruder Thomas vor. Herbert will von seinem Schwager wissen, warum er seinen Käse woanders kauft.
   »Ich hatte einfach Lust auf deutschen Käse«, verteidigt er sich.
   »Thomas lebt in Südfrankreich und ist nur zu Besuch hier.«
   »Das entschuldigt nicht, dass er sein Geld bei der Konkurrenz lässt«, stichelt Herbert. Thomas breitet seine Einkäufe auf dem runden Marmortisch aus und bittet seine Schwester, einen passenden Schluck zu spendieren. Kerstin klatscht in die Hände und ruft: »Mittagspause!« Herbert schließt die Ladentür ab.
   »Sie haben ja eine überwältigende Auswahl an Wurst und Käse«, spotte ich. Noch eine ganze Weile mache ich mich über ihn lustig. Nach zahlreichen Anekdoten und einer weiteren Flasche Wein ist die Pause wie im Flug vorbei. Die Ladentür wird wieder geöffnet und die ersten Kunden treten ein. Ich beschließe, aufzubrechen.
   »Aber du fährst nicht mehr mit dem Auto!« Herbert greift nach meinem Schlüsselbund und verspricht, mir den Wagen am nächsten
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