Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Titel: Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Autoren: Frieda Lamberti
Vom Netzwerk:
fünf Minuten dauert. »Die Schulen und Kindergärten bleiben heute geschlossen«, informiert die Radiofrau. Ich entscheide mich, von zu Hause aus zu arbeiten. Steffen gesellt sich mit seinem Becher Morgenkaffee zu mir und berichtet von seiner Weihnachtsfeier. Er erzählt von Christian, Bärbel und Kurt. Aber ich höre ihm gar nicht richtig zu. Im letzten Sommer war das Trio zum Grillen bei uns zu Gast. Das ganze Geschwätz über Magnetfeld Resonanz, Heilsteine, Energiefluss und Meridiane fand ich gähnend langweilig. Ich halte das Meiste für Humbug und nenne Steffens Kollegen abfällig die Heilpraktiker Idioten.
   »Hör mir doch mal zu, ich möchte etwas mit dir besprechen! Christian, Bärbel und Kurt planen, eine Gemeinschaftspraxis zu eröffnen. Es soll ein Haus der Gesundheit werden. Sie haben mich gefragt, ob ich mit einsteigen will.« Verwundert über seinen plötzlichen Tatendrang blicke ich kurz auf.
   »Christian hat das Haus seiner Eltern geerbt. Es handelt sich um eine Altbau Villa in bester Lage. Gut per Bus und Bahn zu erreichen. Parkplätze stehen auch ausreichend zur Verfügung. Das Haus bietet rund 390 Quadratmeter auf zwei Etagen.«
   »Das klingt doch super. Wo ist der Haken?«
   »Es ist noch eine Menge Arbeit und Geld nötig, um das Privathaus in eine ansprechende Praxis umzuwandeln. Kurt hat vorgeschlagen, eine GbR oder eine GmbH zu gründen, in die jeder von uns zunächst fünfzigtausend Euro einbezahlt.«
   »Fünfzigtausend? Die haben wir nicht. Dafür brauche ich gar nicht erst ins Konto zu sehen.«
   »Bärbel hat einen Businessplan erstellt.« Steffen reicht mir eine Mappe mit vielen Zahlen und Tabellen über den Tisch. Ausgerechnet die doofe Bärbel, die kann doch nicht bis drei zählen, denke ich.
   »Wir sind für heute Vormittag verabredet. Die Drei kommen her und wollen mir ihre Pläne zeigen.« Ich überlege krampfhaft, wohin ich mich verziehen kann, um nicht mit den ungeliebten Naturheilkundlern zusammentreffen zu müssen. Schon der Gedanke an Bärbel mit ihrem strengen Mottenkugelgeruch, löst in mir sofortige Übelkeit aus. Ich starte den PC und öffne das Mail Programm.
   »Oh, eine Nachricht von Sarah.« Sarah Riess und ich lernten uns vor drei Jahren in einem noblen fünf Sterne Wellness und Kongress Hotel an der Nordsee kennen. Mit Mustern einer Algen Pflegeserie für diesen Kunden war ich zur Besprechung mit dem Hotelmanager angereist. Sarah war zeitgleich als Promi Referentin einer Veranstaltung des Forums Darmkrebsvorsorge eingeladen. Bis in die 90er Jahre war sie das Aushängeschild einer Schlager und Volksmusik Unterhaltungssendung eines öffentlich rechtlichen Senders. Als wir uns zufällig abends an der Hotelbar trafen, wusste ich gar nicht, wer neben mir saß. Ich kenne mich in der heilen Schunkelwelt nicht aus und bin kein Fan von dieser Musik. Erst als wir näher ins Gespräch kamen, war es Sarahs Markenzeichen »das rollende R«, das sie verriet. Fünfzehn Jahre war sie schon weg vom Schirm. Eine Folge des Jugendwahns, wie sie behauptet. Ich vertrete jedoch eher die Auffassung, dass es an ihrem Outing gelegen haben muss. Für eine lesbische Volksmusikanten Moderatorin war Deutschland in den Neunzigern eben noch nicht bereit. Seither arbeitet die ehemalige Moderatorin im Stillen. Sie schreibt unter einem Pseudonym Kinderbücher und malt abstrakte Bilder, die allerdings in namenlosen Galerien verstauben. Zu Unrecht, wie ich finde.

Liebe Marie, ich melde mich rasch bei dir vom Flughafen München. Ich wurde entführt. Es geht gleich Lastminute in die Sonne. Also, ich muss Schluss machen. Anke zeigt schon auf die Uhr. Ich wünsche dir ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch. Bis ganz bald. Deine Sarah.

   »Beneidenswert! Steffen, wollen wir beide nicht auch für ein paar Tage in die Sonne fliegen? Das wäre wenigstens ein angemessener Ersatz für das ausgefallene Familienfest.« Aber Steffen gibt mir keine Antwort. Er ist vertieft in Bärbels Zahlenwerk. Ich ziehe mich warm an und gehe mit Bruno vor die Tür. Mit Ausnahme der Hausnummer 17 sind bereits alle Bürgersteige der Eichenallee penibel vom Schnee befreit. Als ich die drei Besucher von Weitem erblicke, greife ich freiwillig zum Schneeschieber. In der Garage warte ich ab, bis sich die Haustür wieder schließt und beginne mit der anstrengenden Winterarbeit. Die Kinder der verlassenen Nachbarin Elke bauen einen Schneemann. Jedes Mal, wenn die große Kugel zum Stehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher