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Verborgene Liebesglut

Verborgene Liebesglut

Titel: Verborgene Liebesglut
Autoren: Gaylord de Woolf
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nächtliche Gast sehr jung sein mußte.
    Er trug eine abgewetzte, aber gut sitzende Samtjacke, die vorzüglich seinen wohl proportionierten Oberkörper hervorhob. Er war schlank gewachsen, und alles an seiner Haltung war edel und aristokratisch. Sein Körper ruhte auf kräftigen Schenkeln, die sich nur zu deutlich unter dem Stoff seiner Hose vorteilhaft abzeichneten.
    Wilcox erkannte auf den ersten Blick, daß sein Besucher einen langen Ritt hinter sich hatte. Die Stiefel waren kotbespritzt, und er schien im Stehen zu schlafen.
    „Was kann ich für Sie tun, junger Freund?" Langsam schritt Wilcox die Treppe hinunter.
    Obwohl die Kellinghursts von jeher bekannt waren für ihre Zurückhaltung, fühlte Wilcox eine unerklärliche Nähe zu dem Unbekannten am Kamin. Der Angesprochene drehte sich um. Überrascht blieb Wilcox stehen. So viel Schönheit auf einmal hatte er noch nie bei einem Menschen gesehen.
    Das blasse Gesicht des jungen Mannes war umrahmt von schwarzem, welligem Haar, das ihm sanft auf die Schultern fiel. Er hatte blaue Augen, unter denen ein leichter Schatten lag, und eine gerade, schmale Nase. Sein hervorstechendstes Merkmal waren jedoch die vollen, sinnlichen Lippen. Es bestand kein Zweifel: Er war kein Engländer.
    Er blickte Wilcox offen ins Gesicht. „Monsieur, verzeihen Sie mein nächtliches Eindringen. Ich habe eine weite Reise hinter mir und weiß keinen anderen Menschen, an den ich mich wenden kann." Hoffnungsvoll machte er einen Schritt auf Wilcox zu. „Sie werden sich meiner kaum erinnern."
    „Sollte ich?" Wilcox war verwirrt. Wer war dieser Fremde? „Bitte klären Sie mich auf. Ich muß gestehen, Sie haben mich neugierig gemacht." Wilcox stand immer noch auf der imposanten Marmortreppe und betrachtete den jungen Mann.
    Der geheimnisvolle Gast hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt und lächelte zaghaft.
    „Mein Name ist Philippe de la Cour. Unsere Mütter waren miteinander befreundet."
    Der Lord überlegte einen Moment, doch dann kam ihm die Erinnerung. „Mein Gott, Philippe!" Mit zwei Sätzen war er beim Kamin und umfaßte die Schultern des jungen Franzosen. „Aber natürlich erinnere ich mich an dich. Das letzte Mal, als wir uns sahen, hast du versucht, Schmetterlinge zu fangen, um mich zu beeindrucken. Aber es muß mehr als zwölf Jahre her sein. Aus dir ist inzwischen ein Mann geworden."
    Philippe lachte verlegen. „Ja, damals war ich sechs, und ich hatte nur den einen Wunsch, so zu werden wie du."
    Charlotte Anstruther, Philippes Mutter, war mit Lady Kellinghurst aufgewachsen und eng mit ihr befreundet gewesen. Auch nach ihrer Hochzeit mit dem Grafen de la Cour war sie immer wieder nach England zurückgekehrt, um den Sommer mit ihrer Freundin auf Blenfield zu verbringen. Wilcox hatte Philippe das letzte Mal als Jungen gesehen. Damals hatte ihn dieser mit seiner kindlichen Verehrung überschüttet und war ihm überallhin gefolgt. Auch Wilcox hatte den Gefährten sofort in sein Herz geschlossen.
    Philippes Mutter pflegte, an Lady Kellinghurst gewandt, zu sagen. „Siehst du, meine Liebe? Unsere innige Freundschaft findet in den Herzen unserer Söhne ihre Fortführung."
    Nach dem Tod der Gräfin war der Kontakt der Familien allerdings abgebrochen, und so hatte er Philippe aus den Augen verloren. Seit Napoleon Europa mit seinen Kriegen unsicher machte und England durch die Kontinentalsperre blockierte, war es außerdem sehr schwer geworden, Post zu versenden oder gar vom Kontinent zu empfangen. Trotzdem hatte er in all den Jahren immer wieder an seinen jungen Freund denken müssen und sich gefragt, was wohl aus ihm geworden war.
    „Aber wie bist du hierhergekommen?" Wilcox war sichtlich erstaunt. „Seit Monaten ist kein Schiff mehr vom Kontinent zu uns durchgedrungen."
    „Ich hatte Glück", flüsterte Philippe und sank kraftlos in sich zusammen. Wilcox rückte einen Sessel vor das wärmende Kaminfeuer. „Stanton! Brandy!" Kraftvoll tönte der Befehl durch die Halle.
    „Du bist ja vollkommen durchnäßt. Zieh deine Jacke aus!" Dankbar überließ sich Philippe Wilcox' Fürsorge, doch immer wieder blickte er gehetzt zur Tür.
    Wilcox, dem dies nicht entging, sagte mit beruhigender Stimme: „Sorge dich nicht, Philippe, bei mir bist du sicher. Niemand wird es wagen, dir etwas zuleide zu tun, solange du unter meinem Schutz stehst." Dankbar schaute ihn Philippe an, und mit einem erleichterten Seufzen sank er in den Sessel zurück. Die Wärme des Kaminfeuers tat ihm wohl.
    Langsam
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