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Venus im Pelz

Venus im Pelz

Titel: Venus im Pelz
Autoren: Leopold von Sacher Masoch
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nun im Begriffe ist, mich zum Lohne für meine sklavische Anbetung, für alles, was ich von ihr geduldet, noch treulos zu verraten, packe ich meine wenigen Habseligkeiten in ein Tuch, dann schreibe ich an sie:
     
    » Gnädige Frau!
    Ich habe Sie geliebt wie ein Wahnsinniger, ich habe mich Ihnen hingegeben, wie noch nie ein Mann einem Weibe, Sie aber haben meine heiligsten Gefühle mißbraucht und mit mir ein freches, frivoles Spiel getrieben. Solange Sie jedoch nur grausam und unbarmherzig waren, konnte ich Sie noch lieben, jetzt aber sind Sie im Begriffe, gemein zu werden. Ich bin nicht mehr der Sklave, der sich von Ihnen treten und peitschen läßt. Sie selbst haben mich frei gemacht, und ich verlasse eine Frau, die ich nur noch hassen und verachten kann.
    Severin Kusiemski .«
     
    Diese Zeilen übergebe ich der Mohrin und eile dann, so rasch ich nur kann, davon. Atemlos erreiche ich den Bahnhof, da fühle ich einen heftigen Stich im Herzen- ich halte – ich beginne zu weinen – Oh! es ist schmachvoll – ich will fliehen und kann nicht. Ich kehre um – wohin? – zu ihr – die ich verabscheue und anbete zu gleicher Zeit.
    Wieder besinne ich mich. Ich kann nicht zurück. Ich darf nicht zurück.
    Wie soll ich aber Florenz verlassen? Mir fällt ein, daß ich ja kein Geld habe, keinen Groschen. Nun also zu Fuß, ehrlich betteln ist besser, als das Brot einer Kurtisane essen.
    Aber ich kann ja nicht fort.
    Sie hat mein Wort, mein Ehrenwort. Ich muß zurück. Vielleicht entbindet sie mich dessen.
    Nach einigen raschen Schritten bleibe ich wieder stehen.
    Sie hat mein Ehrenwort, meinen Schwur, daß ich ihr Sklave bin, solange sie es will, solange sie mir nicht selbst die Freiheit schenkt; aber ich kann mich ja töten.
    Ich gehe durch die Cascine an den Arno hinab, ganz hinab, wo sein gelbes Wasser eintönig plätschernd ein paar verlorene Weiden bespült – dort sitze ich und schließe meine Rechnung mit dem Dasein ab – ich lasse mein ganzes Leben an mir vorüberziehen und finde es recht erbärmlich, einzelne Freuden, unendlich viel Gleichgültiges und Wertloses, dazwischen reich gesäte Schmerzen, Leiden, Beängstigungen, Enttäuschungen, gescheiterte Hoffnungen, Gram, Sorge und Trauer.
    Ich dachte an meine Mutter, die ich so sehr geliebt und an entsetzlicher Krankheit dahinsiechen sah, an meinen Bruder, der voll Ansprüche auf Genuß und Glück in der Blüte seiner Jugend starb, ohne nur seine Lippen an den Becher des Lebens gesetzt zu haben – ich dachte an meine tote Amme, die Spielgenossen meiner Kindheit, die Freunde, welche mit mir gestrebt und gelernt, sie alle, welche die kalte, tote, gleichgültige Erde deckt; ich dachte an meinen Turteltäuber, der nicht selten mir, statt seinem Weibchen, gurrend Verbeugungen machte – alles Staub zum Staube zurückgekehrt.
    Ich lachte laut auf und gleite in das Wasser – im selben Augenblicke aber halte ich mich an einer Weidenrute fest, die über den gelben Wellen hängt – und ich sehe das Weib, das mich elend gemacht hat, vor mir, sie schwebt über dem Wasserspiegel, von der Sonne durchleuchtet, als wäre sie durchsichtig, rote Flammen um Haupt und Nacken, und wendet mir ihr Antlitz zu und lächelt.
     
    Da bin ich wieder, triefend, durchnäßt, glühend vor Scham und Fieber. Die Negerin hat meinen Brief übergeben, so bin ich gerichtet, verloren, in der Hand eines herzlosen, beleidigten Weibes.
    Nun, sie soll mich töten, ich, ich kann es nicht, und doch will ich nicht länger leben.
    Wie ich um das Haus herumgehe, steht sie in der Galerie, über die Brüstung gelehnt, das Gesicht im vollen Lichte der Sonne, mit den grünen Augen blinzelnd.
    »Lebst du noch?« fragt sie, ohne sich zu bewegen. Ich stehe stumm, das Haupt auf die Brust gesenkt.
    »Gib mir meinen Dolch zurück«, fährt sie fort, »dir nützt er so nichts. Du hast ja nicht einmal den Mut, dir das Leben zu nehmen.«
    »Ich habe ihn nicht mehr«, erwiderte ich, zitternd, vom Frost geschüttelt.
    Sie überfliegt mich mit einem stolzen, höhnischen Blick.
    »Du hast ihn wohl im Arno verloren?« Sie zuckte die Achseln. »Meinetwegen. Nun und warum bist du nicht fort?«
    Ich murmelte etwas, was weder sie noch ich selbst verstehen konnte.
    »Oh! du hast kein Geld«, rief sie, »da!« und sie warf mir mit einer unsäglich geringschätzenden Bewegung ihre Börse zu.
    Ich hob sie nicht auf.
    Wir schwiegen beide geraume Zeit.
    »Du willst also nicht fort?«
    »Ich kann nicht.«
     
    Wanda fährt ohne mich
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