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Venus im Pelz

Venus im Pelz

Titel: Venus im Pelz
Autoren: Leopold von Sacher Masoch
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aufzubrechen.
    Schon dringt der Morgen durch die Jalousien.
    Endlich rauscht ihr schweres Gewand, das ihr gleich grünen Wellen nachfließt, sie kommt Schritt für Schritt im Gespräche mit ihm.
    Ich bin für sie kaum mehr auf der Welt, sie nimmt sich nicht einmal mehr die Mühe, mir einen Befehl zu erteilen.
    »Den Mantel für Madame«, befiehlt er, er denkt natürlich gar nicht daran, sie zu bedienen.
    Während ich ihr den Pelz umgebe, steht er mit gekreuzten Armen neben ihr. Sie aber stützt, als ich ihr auf meinen Knien liegend die Pelzschuhe anziehe, die Hand leicht auf seine Schulter und fragt:
    »Wie war das mit der Löwin?«
    »Wenn der Löwe, den sie gewählt, mit dem sie lebt, von einem anderen angegriffen wird«, erzählte der Grieche, »legt sich die Löwin ruhig nieder und sieht dem Kampfe zu, und wenn ihr Gatte unterliegt, sie hilft ihm nicht – sie sieht ihn gleichgültig unter den Klauen des Gegners in seinem Blute enden und folgt dem Sieger, dein Stärkeren, das ist die Natur des Weibes.«
    Meine Löwin sah mich in diesem Augenblicke rasch und seltsam an.
    Mich schauerte es, ich weiß nicht warum, und das rote Frühlicht tauchte mich und sie und ihn in Blut.
     
    Sie ging nicht zu Bette, sondern warf nur ihre Balltoilette ab und löste ihr Haar, dann befahl sie mir, Feuer zu machen, und saß beim Kamine und starrte in die Glut.
    »Bedarfst du noch meiner, Herrin?« fragte ich, die Stimme versagte mir bei dem letzten Worte.
    Wanda schüttelte den Kopf.
    Ich verließ das Gemach, ging durch die Galerie und setzte mich auf die Stufen nieder, welche von derselben in den Garten hinabführen. Vom Arno her wehte ein leichter Nordwind frische feuchte Kühle, die grünen Hügel standen weithin in rosigem Nebel, goldner Duft schwebte um die Stadt, die runde Kuppel des Domes.
    An dem blaßblauen Himmel zitterten noch einzelne Sterne.
    Ich riß meinen Rock auf und preßte die glühende Stirne gegen den Marmor. Alles, was bis jetzt gewesen, erschien mir als ein kindisches Spiel; nun aber war es Ernst, furchtbarer Ernst.
    Ich ahnte eine Katastrophe, ich sah sie vor mir, ich konnte sie mit Händen greifen, aber mir fehlte der Mut, ihr zu begegnen, meine Kraft war gebrochen. Und wenn ich ehrlich bin, nicht die Schmerzen, die Leiden, die über mich hereinbrechen konnten, nicht die Mißhandlungen, die mir vielleicht bevorstanden, schreckten mich.
    Ich fühle nun eine Furcht, die Furcht, sie, die ich mit einer Art Fanatismus liebte, zu verlieren, diese aber so gewaltig, so zermalmend, daß ich plötzlich wie ein Kind zu schluchzen begann.
     
    Den Tag über blieb sie in ihrem Zimmer eingeschlossen und ließ sich von der Negerin bedienen. Als der Abendstern in dem blauen Äther aufglühte, sah ich sie durch den Garten gehen, und da ich ihr behutsam von weitem folgte, in den Tempel der Venus treten. Ich schlich ihr nach und blickte durch die Ritze der Türe.
    Sie stand vor dem hehren Bilde der Göttin, wie betend die Hände gefaltet, und das heilige Licht des Sternes der Liebe warf seine blauen Strahlen über sie.
     
    Nachts auf meinem Lager faßte mich die Angst, sie zu verlieren, die Verzweiflung mit einer Gewalt, welche mich zum Helden, zum Libertiner machte. Ich entzündete die kleine, rote Öllampe, welche unter einem Heiligenbilde im Korridor hängt, und trat, das Licht mit einer Hand dämpfend, in ihr Schlafgemach.
    Die Löwin war endlich matt gehetzt, zu Tode gejagt, in ihren Polstern eingeschlafen, sie lag auf dem Rücken, die Fäuste geballt, und atmete schwer. Ein Traum schien sie zu beängstigen. Langsam zog ich die Hand zurück und ließ das volle, rote Licht auf ihr wunderbares Antlitz fallen.
    Doch sie erwachte nicht.
    Ich stellte die Lampe sachte zu Boden, sank vor Wandas Bette nieder und legte meinen Kopf auf ihren weichen, glühenden Arm.
    Sie bewegte sich einen Augenblick, doch sie erwachte auch jetzt nicht. Wie lange ich so lag, mitten in der Nacht, in entsetzlichen Qualen versteinert, ich weiß es nicht.
    Endlich faßte mich ein heftiges Zittern und ich konnte weinen – meine Tränen flossen über ihren Arm. Sie zuckte mehrmals zusammen, endlich fuhr sie empor, strich mit der Hand über die Augen und blickte auf mich.
    »Severin«, rief sie, mehr erschreckt als zornig.
    Ich fand keine Antwort.
    »Severin«, fuhr sie leise fort, »was ist dir? Bist du krank?«
    Ihre Stimme klang so teilnehmend, so gut, so liebevoll, daß sie mir wie mit glühenden Zangen in die Brust griff und ich laut zu schluchzen
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