Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach
Autoren: P Besson
Vom Netzwerk:
plötzliche Stimmungswechsel, vorübergehende Phasen von Niedergeschlagenheit, Depressionen, die nie lange anhielten, unerklärliche Absencen. Aber Jack schob dieses schwankende Verhalten auf seine Jugend und auf den komischen Beruf, den er ausübte.
    Er begann, ihm Kleidung zu schenken, ihm sein Motorrad zu leihen, ihn in gewisser Weise, und ohne sich dessen bewusst zu sein, auszuhalten. Und der Bursche glaubte, er sei von nun an ein Mitglied des Kreises, sei in die kleine Welt von Jack Bell aufgenommen. Von da an verkehrten sich die Dinge.
    Als Jack erkannte, dass Billy den Sinn für die Realität verlor, bat er ihn, weniger häufig zu kommen, ohne zu ermessen, wie sehr es diesen kränkte, so ins Abseits gestelltzu werden. In Wirklichkeit hat der Strichjunge, wieder in seine alte Rolle zurückversetzt, versucht, seinen Ärger zu verbergen, er vermied es, seiner Umgebung zu erklären, was ihn quälte, bestand darauf, seine Beziehung weiterhin geheim zu halten, hoffte, Jack wieder zu erobern, verzehrte sich sichtlich, hatte immer mehr Freier und Verkehr, setzte sich der Gefahr aus, staute seinen Groll auf, ohne dass es ihm gelungen wäre, sich von seiner Liebe zu befreien.
    Und dann kamen die ersten aggressiven Telefonanrufe. Billy warf Jack vor, ihn verlassen und gedemütigt zu haben, und drohte, jedem, der es hören wollte, die verborgenen Schandtaten des Lieblings von Hollywood aufzudecken. Jack versuchte, ihn zu beruhigen, ihn umzustimmen, aber es hat nichts genützt, und als ihm das Geld allmählich ausging, ist Billy zu Erpressungen übergegangen. Die Dinge eskalierten, eine schmutzige Spirale hatte sich in Bewegung gesetzt, und Jack sah nicht, was sie zum Stillstand hätte bringen können.
    Außer Billys Tod.
    Ein Treffen wurde vereinbart, jenes, das im Notizbuch stand. Die beiden wollten offiziell von Mann zu Mann miteinander reden, wollten versuchen, ihren Streit beizulegen und vielleicht wieder eine »normale« Beziehung herzustellen. Das war jedenfalls das, was Jack am Telefon gesagt hatte. An jenem Abend zur vereinbarten Zeit ist der Kleine in das Haus in Beverly Hills gekommen, und das Gespräch hat begonnen. Anfangs war der Wortwechsel ziemlich heftig, jeder musste seinen Kropf leeren, aber der Alkohol und die Nacht trugen dazu bei, dass sich die Unterhaltung beruhigte. Gegen drei Uhr morgens hatte Jack seinen verrückten Plan, Billy Greenfield zu töten, vergessen.
    Doch wegen eines nichtigen Zwischenfalls, eines falsch verstandenen Satzes, eines angriffslustigen Untertons schwollen die Stimmen erneut an, die Wunden rissen wieder auf, die Galle kam erneut hoch, und Billy, der ziemlich angetrunken war, verlor die Kontrolle. Er tobte, machte hinter der Glasfront, die sich zur Stadt hin öffnete, ausladende, erregte Bewegungen wie in einem Schattenspiel, brüllte, warf Gegenstände um, war dabei, das ganze Viertel aufzuwecken, man musste ihn zum Schweigen bringen. Eine Bronzeskulptur befand sich in Reichweite, sie zerbrach an Billys Schläfe.
    Plötzlich lag der leblose Körper eines zwanzigjährigen Prostituierten auf dem makellosen Teppich zu Füßen eines Filmstars.
    Sofort war klar, die Leiche musste beseitigt werden. Jack setzte sie in den Wagen neben sich, fuhr leise los, bog in eine der kleinen Straßen ein, die rechtwinklig vom Boulevard abgehen, öffnete die Seitentür und ließ den leblosen Körper Billy Greenfields ins feuchte Gras rollen. Das war’s.

 
    Ich habe Jack zugehört, ohne ihn zu unterbrechen. Dann und wann blickte ich auf die Promenade unter uns, sah die Trauben von Touristen, einsame junge Frauen, Surfer, Jongleure und Gaukler, diese ganze Welt, die mir so vertraut war und die plötzlich zu einem fernen Land zusammenschrumpfte. Jede weitere Enthüllung stellte eine Abtrennung, eine Verbannung dar, ohne mir die geringste Qual oder Angst zu bereiten. Mir kam es im Gegenteil so vor, als erfülle sich mein Los: Mein Los war, abzutreten, mich zu verbannen. Jack zog mich mit sich dorthin, wo keine Begnadigung möglich war, wo keine Vergebung gewährt wurde, wo das Überleben nur unter der Bedingung in Betracht kam, dass man log, dass man sich verbarg, wo die Tage auf alle Fälle gezählt waren, weil die Wahrheit einen am Ende immer einholt. Und ich akzeptierte dieses Schicksal. Mehr als das, ich ging ihm entgegen. Diese Flucht nach vorn ersehnte ich, weil Jack sie mir vorschlug. Es war wie ein Aufgeben, ein Sichlösen, ein Emporfliegen, zweifellos, damit man uns im offenen Himmel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher