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Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach
Autoren: P Besson
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einen ununterbrochenen Verkehr, eine unaufhörliche Bewegung vor. Und, um das Einerlei zu unterbrechen, von Zeit zu Zeit Erdstöße, Überschwemmungen, Feuersbrünste oder Krawalle.
    Stellen Sie sich vierzehn Millionen Frauen und Männer vor, gegen einen Ozean gedrängt, in Erwartung des großen Erdbebens, an das sie nicht glauben.
    Willkommen in L.   A.
    Im Grunde ist es nichts anderes als ein gigantisches Puzzle. Man setzt die Teile zusammen, und schließlich wird eine Stadt daraus. Aber keines der Teile gleicht dem anderen. Ich weiß nicht, durch welches Wunder sie sichineinanderfügen, aber ich versichere Ihnen, sie tun es. Manchmal muss man allerdings auch etwas nachhelfen.
     
    Ich bin hier mit vierzehn Jahren gelandet, als meine Eltern sich scheiden ließen und ich meiner Mutter folgte. Bis dahin hatte ich immer in Bodega Bay gelebt. Sie kennen Bodega Bay, ohne es zu wissen. Sie haben
Die Vögel
, den Film von Hitchcock, gesehen. Dort verbrachte ich meine Kindheit. Den Pazifik vor Augen. Hinter der Felsenküste. In einem weißen, mit einer amerikanischen Fahne geschmückten Haus an der Hauptstraße. Das war die Kindheit, als sie noch dem Glück glich. Dann starb ein kleines Mädchen; meine Schwester. Und alles ist aus den Fugen geraten. Der Kummer hat sich über unsere Familie gelegt, hat sie mit einer Hülle umgeben. Mein Vater hat sich vor Kummer verzehrt, verbraucht wie eine Kerze. Manchmal sind die Männer die zerbrechlichsten. Meine Mutter hat, so gut sie konnte, versucht, damit fertigzuwerden. Eines Tages wurde ihr klar, dass ihr Mann nichts anderes tat, als sie mit sich in den Abgrund zu reißen. Nachdem sie jahrelang seine Hand festgehalten hatte, damit er nicht, von der Traurigkeit verschlungen, verschwände, entschloss sie sich, die Hand loszulassen. Sie ist gegangen. Sie hat mich mitgenommen. Mein Vater ist im Jahr darauf gestorben. Er verfehlte auf der Straße von Bodega Bay nach Leggett, einer serpentinenreichen Straße, eine Kurve. Ich glaube nicht, dass es ein Unfall war, und meine Mutter auch nicht, aber wir reden nicht darüber. Wir sind nach Los Angeles gezogen, weil es dort Arbeit gab. Heute führt meine Mutter ein kleines Hotel am Strand von Venice Beach. Es läuft gut für sie. Die Touristen kommen in großer Zahl, sie hat nicht zu klagen. Sie versichert, sie habe ihr Leben wieder in Ordnunggebracht, man könne sein Leben wieder in Ordnung bringen. Ich weiß, dass sie jeden Tag, den Gott macht, an das tote Kind denkt und an den Mann, der in einer Haarnadelkurve ins Leere schleuderte. Aber vielleicht sollte ich ihr trotz allem Glauben schenken. Auch ich werde daran denken müssen, es wieder in Ordnung zu bringen, mein Leben, jetzt, wo es vollkommen ramponiert ist.

 
    Ich bin dreiundzwanzig Jahre alt gewesen, als ich Laura geheiratet habe. Ich hatte sie im Hörsaal der Universität kennengelernt. Sie hatte mich angelächelt. Ich habe zurückgelächelt. Mein Lächeln war wahrscheinlich etwas kläglich. Ich war nicht besonders geschickt im Umgang mit Mädchen. Ich verstand nicht, wie sie funktionierten. Ich habe es nie verstanden.
     
    Ich hatte schon Affären vor ihr. Abenteuer, die nicht lange dauerten. Flirts für einen Abend. Ich erinnere mich an ungeschickte Umarmungen. Man versicherte mir dennoch, ich sei ein hübscher Junge. Ich wusste nicht genau, was das bedeutete. Ich habe es erst an dem Tag verstanden, als Jack es mir sagte. In jenem Moment hätte er sagen können, was er wollte, ich hätte es geglaubt.
     
    Nun, ich war nicht sehr gesprächig. Das habe ich von meinem Vater. Er war ohnehin nicht sehr redselig. Und nach dem Tod meiner Schwester ist es noch schlimmer geworden. Er ist buchstäblich in seiner Stummheit versunken. Er verständigte sich nur noch durch Laute. Er antwortete kaum mehr auf unsere Fragen, so dass wir ihm immer seltener welche stellten. Ich nehme an, das war eine Form von Autismus. Er hat sich von der Welt abgeschnitten. Das Einzige, was ich von ihm geerbt habe, istsein Schweigen. Seine Zurückhaltung. Man erbt, was man kann.
     
    Die Mädchen wollen, dass man mit ihnen redet. Gewiss, nicht alle. Aber doch die meisten. Sie wollen, dass man sich für sie interessiert, dass man Gespräche führt, für solche Dinge war ich nicht begabt. Sehr schnell langweilten sie sich. Eines schönen Morgens ließen sie mich sitzen, leicht gekränkt, leicht enttäuscht. Ich war nicht wirklich ärgerlich und auch nicht überrascht. An ihrer Stelle hätte ich es genauso
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