Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach
Autoren: P Besson
Vom Netzwerk:
paar Wochen, die uns gewährt wurden, ein ganzes gemeinsames Leben ausmachten, dass es unsere Aufgabe war, alles, was wir in diesen zerbrechlichen Tagen füreinander waren, festzuhalten.
     
    Der Sommer ist wundervoll und tragisch gewesen. Jack entzog sich dem Druck der Paparazzi und den Ansprüchen der Studios, um nach Venice Beach zu kommen. Das Gesicht hinter einer Sonnenbrille verborgen, in unauffälliger Allerweltskleidung, tauchte er, unbemerkt vom Wachpersonal, in der Lobby des Hotels auf, wo ihm meine Mutter kommentarlos unseren Zimmerschlüssel aushändigte. Ich kam kurz nach ihm, für mich war es einfacher, mich freizumachen, ich gab eine Verabredung vor, ich war Herr über meine Zeit, nur McGill war über meine plötzliche Abwesenheit beunruhigt, er vermutete ein Verhältnis, ohne es mir zu sagen, ich ließ ihn in seinem Irrtum.
     
    Wir liebten diese Dringlichkeit, dieses Geheimnis, diese Sache, die nur uns gehörte, die alle anderen ausschloss. Uns war klar, welches Risiko wir eingingen. Jemand hätte unseren Spuren folgen, uns entlarven können. Wir vertrautem unserem guten Stern. Er hat einen ganzen Sommer lang geleuchtet.
     
    Die Untersuchung war an einem toten Punkt angelangt, aber ich wusste, unter Berücksichtigung dessen, was mir Jack berichtet hatte, besser als irgendjemand, dass es Zeugen gab, die von einem Augenblick auf den anderen auftauchen konnten: Ein »Kollege« von Billy, dem letzterer sich an einem Abend, an dem er
down
war, anvertraut hatte, ein »Bekannter« Jacks, der sich daran erinnerte, den Toten, als er noch lebte, am Rand des Swimmingpools gesehen zu haben. Es war nicht nur ein Damoklesschwert, das über unseren Köpfen hing, es war eine ganze Waffensammlung. In der Erwartung, von allen Seiten durchbohrt zu werden, wälzten wir uns glücklich und entspannt in den Laken.
     
    Anfang August ist Saddam auf die merkwürdige Idee gekommen, in Kuwait einzumarschieren. Man wusste nicht viel über diesen Typ. Er wirkte lediglich etwas gestört. Man wäre nicht in der Lage gewesen, sein Land auf der Karte zu lokalisieren. Wir haben die Invasion nicht besonders ernst genommen. Wir nahmen im Augenblick überhaupt nichts ernst. Ich habe nur gedacht: Wenigstens haben die Zeitungen nun etwas anderes als Jack, auf das sie sich stürzen können.

 
    Die Riesentürme von Downtown ragten in einen glühendroten, apokalyptischen Himmel. Die Menschen zu ihren Füßen waren gegangen. Man arbeitete dort, aber man lebte da nicht. Abends verließ man diese unmenschlichen Orte, man flüchtete in Häuser, die man für ruhig hielt, in niedrige Gebäude, man zog sogar die verrufenen Viertel jenem leblosen Innenstadtkomplex vor, in dem der Widerschein des Mondes etwas Metallisches und Beunruhigendes hatte. Der Golden State Freeway war eine Asphaltader, über die man flüchtete. Die Autos fuhren eilig Richtung Meer oder Wüste.
    Auf der Seite des Hollywood Boulevard leuchteten die Neonreklamen in roten oder blauen Farben, für eine Handvoll Dollar priesen Kundenfänger außergewöhnliche Spektakel und spektakuläre Mädchen an, ungeduldige Passanten eilten mit großen Schritten die Bürgersteige entlang, auf der Suche nach käuflicher Liebe oder schäbigen, einsamen Befriedigungen in Privatkabinen, vergoldete Vorhänge öffneten sich diskret, um sie dort einzulassen, wo sie das zu finden hofften, was man ihnen andernorts verweigerte.
    In den Vierteln mit überwiegend schwarzer Bevölkerung waren die Kinder trotz der vorgerückten Stunde noch auf, sie hingen in den Straßen herum, schlaff von der nächtlichen Hitze, und sammelten sich um ihre älterenBrüder, die in Gruppen herumstanden und davon redeten, die Stadt anzuzünden, sich im Augenblick aber damit begnügten, heimlich Stoff auszutauschen. Etwas weiter fuhren Jungen Rollerskates in Betonröhren oder dröhnten sich mit Musik zu, die unvermeidlichen Kopfhörer auf den Ohren. Man musste die Zeit totschlagen.
    Die Spanier telefonierten mit denen, die auf der anderen Seite der Grenze geblieben waren, sie sagten, Amerika habe ihnen die Chance ihres Lebens geboten, sie vergaßen, sich zu beklagen und bereiteten in aller Stille die wahre Revanche an den Weißen vor, die bald erfolgen würde. Verschwommene Musik kam aus den Fenstern, Radioapparate rauschten auf den Simsen, man konnte nur in diesem sanften Lärm einschlafen.
    In Venice gingen die Nostalgiker der Flower Power, die sich in Spießbürger verwandelt hatten, an farbtriefenden Wandfresken vorbei,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher