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Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach
Autoren: P Besson
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diesem Abend keinen Fehler begangen. Ich will damit sagen: keine Anspielung, keine fatale Geste, keine unangebrachte Beschwörung, nichts, was die gemeinsam zugebrachte Zeit, die intime Kenntnis des anderen hätte verraten können. Ich dachte: Wir werden es schaffen, Laura wird uns nicht durchschauen. Ich täuschte mich.
     
    In Wirklichkeit waren es nicht die Untertöne oder die Gesten, die uns verraten haben, es war ein allgemeiner Eindruck, bestehend aus extremer Zurückhaltung, Kontrolle und tiefer Komplizenschaft, der meine Frau hellhörig gemacht hatte. Sie war sich nicht sicher. Es war nur ein Zweifel, den sie nicht näher beschreiben konnte, ja, das war es: ein schrecklicher Zweifel. Eine Klinge hat sie durchbohrt, ohne dass sie den Stoß hatte kommen sehen.
     
    Mitten in der Nacht habe ich sie im Notarztwagen ins nächste Krankenhaus gebracht. Sie klagte über fürchterliche Leibschmerzen.

 
    Im Morgengrauen, nach Stunden des Wartens in einem fahlen Flur, kam jemand und sagte mir, das Kind sei gerettet, es grenze an ein Wunder, man habe kämpfen müssen, um es nicht zu verlieren, aber wenn die Mutter Ruhe hielte, könne man hoffen, dass es zum errechneten Zeitpunkt auf die Welt komme.
     
    Ich habe Laura gleich in dem Zimmer aufgesucht, in das man sie gebracht hatte. Im Bett neben ihr lag eine junge Frau voller Prellungen, übersät mit blauen Malen und Wunden, ihre Unterlippe war geplatzt, eines ihrer Augenlider war angeschwollen und blutunterlaufen, ihr rechter Arm war eingegipst, es war ein entsetzlicher Anblick. Während ich Lauras Hand hielt, konnte ich nicht vermeiden, die gemarterte Frau immer wieder mit bestürzten Blicken anzuschauen. Ich dachte an Unfälle, die man zwar überlebt, denen man jedoch nur so ramponiert, so zugerichtet entkommt. Ich stellte mir das eingedrückte Dach eines zerbeulten Wagens vor, das qualmende Metallgehäuse, aus dem man den zerquetschten Körper herausgeholt hatte. Später habe ich erfahren, dass diese Frau so zugerichtet war, weil ihr Mann sie halb totgeprügelt hatte.
     
    Laura war äußerst schwach, ihre Blässe erinnerte an einen Leichnam, jeder Ausdruck hatte sich aus ihrem Gesichtzurückgezogen. Ihre Augen waren halb geschlossen, ihre Lippen weiß, es gelang ihr nicht, die Lethargie abzuschütteln, in die sie die Beruhigungs- und Schmerzmittel versetzt hatten, sie wirkte, als liege sie im Koma, man konnte meinen, sie kämpfe langsam gegen die Schatten an. Sie erhielt Infusionen in die Armvenen. Ihr ganzer Körper wirkte schlaff. Tatsächlich hatte sie viel Blut verloren, man hatte die Blutung stoppen müssen, das hatte Zeit gebraucht.
    Aber am Ende hat das Leben gesiegt.
     
    Ich trat näher an sie heran, ich nahm ihre Hand, murmelte tröstende Worte, die sie nicht hörte. Ich habe sie arm und elend daliegen sehen. Eine unendliche Traurigkeit befiel mich. Und zum ersten Mal empfand ich Schuld. Entsetzliche Gewissensbisse. Ich dachte: Diese Geschichte mit Jack muss aufhören. Ich muss wieder Ordnung in mein Leben bringen, muss retten, was zu retten ist, muss mich in meiner Familie verankern.
     
    Am Nachmittag des nächsten Tages ist Laura wieder zu sich gekommen. Zu dem Zeitpunkt stand mein Entschluss noch fest. Aber in Sekundenschnelle, mit einem Blick, kehrte sich alles wieder um. Mit dem Blick der hintergangenen Frau auf den schuldigen Mann. Es war wie ein kaum wahrnehmbares und dennoch sehr reales Zurückweichen. Da war kein Wort des Vorwurfs, nur dieser Blick, dieses verhängnisvolle Zögern. Sofort hat sich eine nicht wieder zu schließende Kluft zwischen uns aufgetan.
     
    Und dann kehrten wir nach Hause zurück. An einem Sonntag. Und wir versuchten, wieder ein normales Leben aufzunehmen. Aber das war zwecklos, und wir wussten es.Unser Schicksal war ohnehin lange vor den gefährlichen Stunden im Krankenhaus besiegelt gewesen.
     
    Am Montag habe ich Jack im Motel wiedergetroffen (wir hatten uns seit dem unheilvollen Dinner nicht mehr gesehen). Ich kündigte ihm an, dass ich Laura verlieren werde. Und dass es mir recht geschähe.

 
    Ende August tauchte ein Sensationsmagazin an den Kiosken auf mit einem heimlich gemachten Foto von Jack mit Mütze, Sonnenbrille und Jogginganzug auf dem Titelblatt; ein unscharfes, körniges, mit einem Teleobjektiv geschossenes Foto. Die Unterschrift erwähnte »die große Einsamkeit des Stars«. Im Innern des Blattes erfuhr man, dass die ewige Rothaarige ihn verlassen hatte. In einem Interview, das sie sich wahrscheinlich
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