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Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach
Autoren: P Besson
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Bingo.
     
    Ich erinnere mich sehr genau an den Augenblick, als der Ire an jenem Tag in mein Büro gekommen ist. Sein Gesichtsausdruck war gleichzeitig ernst und verwirrt. Noch ehe er irgendein Wort gesagt hatte, ahnte ich, was er mir gleich mitteilen würde. Er hat die Tür hinter sich geschlossen, damit uns niemand stört, damit niemand unsere Unterhaltung hört. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er nicht dick aufgetragen hat. Seine Knappheit in den Minuten der Entdeckung war beispielhaft. Ich hatte allen Grund, den größten Respekt vor ihm zu haben.
     
    Nie, wenn ich versucht habe, mir auszumalen, was uns, Jack und mich, zu Fall bringen könnte, habe ich an ein Videoband gedacht. Ich glaubte, irgendwann würde ein Zeuge erscheinen oder ein Erpresser auftauchen. Es musste zwangsläufig ein paar Jungen geben, die in die Liebschaften Billy Greenfields eingeweiht waren. Aber keiner hat geredet. Keiner hat versucht, Kapital daraus zu schlagen. Die Parias haben ihre eigenen Regeln: Man paktiert nicht mit der Polizei, man sucht keinen Ärger, man bleibt in Deckung. Und es gehört zweifellos zum Berufsrisiko, von einem Kunden, der in Panik gerät, kaltgemacht zu werden. Der Schlag kam nicht von dort, woher ich ihn erwartete.
     
    McGill hat sich nicht vorstellen können, dass ich eine Beziehung zu Jack unterhalte. Das lag ihm zu fern, es entsprach nicht seinem Denkschema, und das verstehe ich. Er hatte jedoch festgestellt, dass jemand seit Wochen meine Gedanken in Beschlag nahm. Er war sich außerdem sicher, dass ich noch mit Jack in Verbindung stand, kleinste Indizien hatten ihn hellhörig gemacht, abgebrochene Telefonate, gekritzelte Notizen, die Indiskretion einer Telefonistin,die sich rühmte, mit Jack Bell gesprochen zu haben, er war nicht umsonst Polizist. Dennoch hatte er zwischen diesen beiden Fakten keine Verbindung hergestellt. Als er das belastende Video angesehen hatte, war ihm plötzlich alles klar geworden. Er konnte nicht sagen, warum. Es war ihm wie Schuppen von den Augen gefallen. Dann hatte er die Geschichte vor sich ablaufen lassen.
     
    Selbstverständlich hatte er keinen Beweis für unser Abenteuer, aber es war, als brauchte er keinen. Als habe er auf seine Weise die irrationale Notwendigkeit dessen, was mich an Jack band, einkalkuliert. McGill hat nicht das geringste moralische Urteil von sich gegeben, hat nicht eine einzige Frage gestellt, keine Erklärung verlangt. Er hat sich damit begnügt, die Tatsachen in ihrer entsetzlichen Nacktheit, ihrer erschlagenden Wahrheit darzustellen. Ich habe ihm zugehört, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich frage mich noch heute, woher ich die Kraft nahm, nicht zusammenzubrechen. Ich vermute, es war die fürchterliche Gelassenheit meines Gesprächspartners, die mir dabei half.
     
    Er sagte zu mir: »Noch weiß niemand davon. Du bist der Erste, den ich über diese Entdeckung informiere. Wir werden Jack Bell vernehmen müssen. Wenn er wirklich der Fahrer des Wagens ist, dann geht es ihm an den Kragen.« Er hat kurz innegehalten und schließlich hinzugefügt: »Ich glaube, es ist besser, wenn ich die Befragung vornehme.«
     
    Mein Blick haftete auf meinem Partner, aber es war ein blinder, glasiger Blick. Und er war auf jeden Fall nicht ängstlich. Nein, ich bin nicht in Panik oder in Verzweiflung geraten. Fast von Anfang an habe ich kommen sehen,dass diese Situation eintreten würde. Ich nahm den Ausgang wie eine Schicksalsfügung an. Und mir war bewusst, dass jeder Kampf nutzlos war. Der Versuch, McGill zu überreden, diese neue Tatsache zu unterschlagen und die Untersuchung fallen zu lassen, wäre vergeblich gewesen. Er war zu gewissenhaft. Und zu unbestechlich. Im Grunde war er wohl ein wenig traurig.
     
    Ich bin zum Fenster zurückgegangen, starrte den Boulevard unter mir an, das sanfte Wiegen der Palmzweige im wunderbaren Nachmittag und den gleichmäßigen Strom der Wagen. Ich murmelte nur: »Ich bitte dich um eine Stunde.«

 
    Einmal mehr hätte ich in diesem Augenblick wenn nicht die Ehre, so doch wenigstens das, was noch zu retten war, retten können. Umso mehr, als ich mich in den kleinen Arrangements der Polizei auskannte. Wenn einer von uns ein wenig zu eng in eine Sittengeschichte oder in kleinere Machenschaften verwickelt ist, unternimmt man das Erforderliche, damit nichts davon an die Öffentlichkeit gelangt. Man schließt die Augen. Man rät dem Typ einfach, woanders hinzugehen, und für gewöhnlich macht er das ohne weitere Diskussion, völlig
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