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Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach
Autoren: P Besson
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teuer hatte bezahlen lassen, erging sie sich auf seine Kosten in üblen Nachreden. Ich erinnerte mich an die Nymphe am Rand des Swimmingpools, die nachlässig ihren Badeanzug hatte heruntergleiten lassen. Hässlichkeit fand sich überall. Und besonders unter der Maske der Schönheit.
     
    Die Rothaarige gab zu verstehen, dass der Wunderknabe von Hollywood kein sehr guter Liebhaber sei. In diesem Punkt hätte ich ihr widersprechen können, aber ich habe mich wohl gehütet. Das Foto hat mir etwas Angst eingejagt: Es war an einem Tag aufgenommen worden, an dem Jack sich mit mir getroffen hatte. Er wurde also beobachtet. Wir konnten entdeckt werden. Vielleicht waren schon kompromittierende Abzüge im Umlauf. Würde die Schmutzpresse in diesem Fall zögern, sie zu veröffentlichen? Waren wir (vorläufig?) durch eines der letzten Tabus geschützt? In diesem Beruf ohne Regeln und Ethik, der von Typenohne Glauben und Rechtsempfinden ausgeübt wird, gibt es tatsächlich Grenzen, die nicht überschritten werden. Die Enthüllung der Homosexualität einer angesehenen Persönlichkeit ist eine geächtete Praxis. Wie lange? Was genau mussten wir befürchten?
     
    Fest stand jedenfalls, dass wir doppelt vorsichtig sein mussten. Das unsichtbare Netz um uns wurde immer dichter. Der stille Verdacht Lauras, die Jagd der Paparazzi, die unvorhersehbaren Fortschritte der Untersuchung, alles trug zu unserer Unsicherheit bei. Diese Unsicherheit führte bei Jack zu einer Art Erregung. Das Heranrücken der Bedrohung gab ihm Auftrieb. Ich wusste nicht, ob dies das Mittel war, das er gefunden hatte, um seine Angst zu bannen, oder ob es sich wieder um einen Kindertrick handelte. Er hielt uns für Butch Cassidy und Billy the Kid vor dem Sturmangriff. Ich wagte nicht, ihn daran zu erinnern, dass das alles schlecht ausgegangen war.
     
    Unsere Schwüre, vorsichtig zu sein, währten indessen nie lange. Es genügte, eng aneinandergepresst zu sein, um uns vergessen zu lassen, dass uns alles im Bruchteil einer Sekunde genommen werden konnte. Manchmal kam ein Touristenpaar auf die Terrasse des Motels, das uns zwischen Tür und Angel bei unseren Umarmungen und verstohlenen Küssen überraschte. Unter inquisitorischen Blicken kehrten wir in unser Zimmer zurück.
     
    Jack hatte mir ebenfalls berichtet, dass seine Agentin, eine mit Vitaminen überfütterte Paula, einen ernsthaften Verdacht hegte. Das wiederholte Fernbleiben, die Geheimnistuerei am Telefon, die ausweichenden Antworten hattenvollends genügt, die Aufmerksamkeit einer Frau zu erregen, die ohnedies zur Paranoia neigte. Sie hatte ihn offen darauf angesprochen. Er hatte wütend geleugnet, ohne sie überzeugen zu können. Er war sich sicher, dass sie fähig war, ihn von einem Privatdetektiv überwachen zu lassen, um Gewissheit zu erhalten. Behauptete sie nicht den lieben langen Tag, sie schütze ihn vor sich selbst und vor seinen »Dämonen«? Aber was wusste sie tatsächlich von seinen Dämonen?
     
    Noch heute frage ich mich, wie es uns gelungen ist, so lange, und ohne uns der Gefahr richtig bewusst zu sein, auf dem Vulkan zu tanzen.
     
    Den Gnadenstoß erhielten wir in den ersten Septembertagen. Der Sommer ging zu Ende. Wir hätten ohnehin bald zu tanzen aufgehört.

 
    Die Burbanks sind am 7.   September aus den Ferien zurückgekehrt. Sie hatten sich seit Juni in Europa aufgehalten. Die Milliardäre brauchen die goldenen Exile auf dem alten Kontinent, sie haben das Gefühl, ihre Besitzungen zu besuchen, und wenn sie wieder zu Hause sind, lieben sie es, sich bei den Abendgesellschaften an ihren Müßiggang in den von Olivenbäumen umstandenen toskanischen Villen zu erinnern, an die Stunden, die sie auf dem Deck eines im Mittelmeer ankernden Vergnügungsschiffes verbrachten, oder an die Sommeraufenthalte an der Côte d’Azur. In ihren Briefkästen haben sie ein offizielles Dokument der Polizei von Los Angeles vorgefunden, in dem sie aufgefordert wurden, die Aufzeichnungen ihrer zahlreichen Überwachungskameras abzuliefern. Als gute Amerikaner sind sie der Anordnung widerspruchslos gefolgt.
     
    Auf einem der Bänder sieht man ziemlich deutlich, wie ein Mann eine Leiche durch die Wagentür in sein Auto schiebt. Das Gesicht des Mannes ist nicht zu erkennen: Eine heruntergeklappte Sonnenblende und das Dämmerlicht verhindern die Identifizierung. Dafür ist das Nummernschild gut lesbar. McGill hat keine fünf Minuten gebraucht, um den Besitzer herauszufinden. Ein Mann namens Jack Bell.
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