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Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Titel: Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
Autoren: Margit Sandemo
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1. KAPITEL
    Wer dem Gesang des Windes lauscht, kann so vieles heraushören. Doch nie zuvor hatte der Wind so bitter geklagt wie in jenem Jahr, als der Kummer Einzug hielt auf Grästensholm. Auch auf Lindenallee hörte Are das eintönige Jammern der Linden, wenn der Wind durch ihre Kronen fegte.
    Es war ein unbedachtes Wort von Tarald, das Kolgrims böse Kräfte endgültig durchschlagen ließ.
    Eigentlich hatte der Junge die Absicht gehabt, die einfältige Gutmütigkeit der anderen auszunutzen und auf Grästensholm zu bleiben, bis er halbwegs erwachsen war. Denn dort ging es ihm im großen und ganzen gut. Aber nun brach in seinem Innersten eine gewaltige Lawine los.
    Man schrieb das Jahr 1633, und Kolgrim war zwölf Jahre alt. Er war auf seine ganz eigene Art hübsch, aber die bernsteinfarbenen Augen, die so offen und kindlich dreinschauten, konnten sich in dem Moment verändern, in dem man ihm den Rücken zukehrte. Dann verfolgte sein Blick sein Gegenüber kalt und tückisch aus den Augenwinkeln, abschätzig, verächtlich.
    Armes kleines Ding, sagten die Leute. Ich bin stark, viel stärker als ihr alle zusammen, dachte Kolgrim. Ich bin fügsam, so lange es mir nützt. Aber wartet nur, bis ich groß genug bin, um auf eigenen Füßen zu stehen! Wie alle, die vom Fluch des Eisvolks heimgesucht waren, war er sehr einsam. Aber er empfand die Einsamkeit nicht als etwas Nachteiliges. Im Gegenteil, er suchte sie oft, denn er fand, daß sie ihm doppelte Kraft verlieh.
    Außerhalb des friedlichen Norwegen war viel geschehen. Der Religionskrieg wütete nach wie vor. Im Jahre 1631 hatte Schwedens König Gustav II. Adolf bei Breitenfeld einen glänzenden Sieg über Tilly errungen. Im Jahr darauf, 1632, fiel der Schwedenkönig in der Schlacht bei Lützen, aber sein Heer siegte ruhmreich über die vereinten Truppen der Feldherren Wallenstein und Pappenheim. Auch Pappenheim fand bei Lützen den Tod, und Tilly starb im selben Jahr in der Schlacht bei Lech, Wallenstein wurde wenige Jahre später von seinen eigenen Gefolgsleuten ermordet. Aber der Krieg ging weiter und weiter, nun mit anderen schwedischen Feldherren auf protestantischer Seite. Lennart Torstensson, Johan Baner und Hans Christofer von Königsmarck sollten in diesem ewigen Krieg mit ihren Taten in die Geschichte eingehen. Christian IV. hatte sich endlich von Kirsten Munk getrennt, nachdem sich herausgestellt hatte, daß das jüngste Kind, Dorotea, äußerst zweifelhaften Ursprungs war. Auch hatte Frau Kirsten heimtückisch versucht, gewisse Arzneien unter die Speisen des Königs zu mischen, und sie hatte schmähliche Zeichnungen anfertigen lassen, die den König als Hahnrei verhöhnten. Da wurde es Christian zuviel. Er jagte sie »in tausend Teufels Namen« davon und verbot ihr, die Kinder jemals wiederzusehen, ein Verbot, das sie nicht besonders ernst nahm. Welche Standpauke Ellen Marsvin ihrer unbedachten Tochter hielt, nachdem die wertvolle Verbindung zum König abgebrochen war, ist nicht überliefert, aber nach außen hin ließ sie sich nichts anmerken. Es war den beiden Damen gewiß kein Trost, daß Christian IV. sich eine neue Mätresse zulegte, nämlich Kirstens eigene Hofdame Vibeke Kruse, ein Musterexemplar an Vulgarität. Aber sie gebar ihm einen prächtigen Sohn, Ulrik Christian Gyldenlöve, der später ein besserer Feldherr wurde, als sein Vater es jemals gewesen war.
    Leonora Christine war im Alter von neun Jahren mit einem jungen, aufstrebenden Adligen verlobt worden, Corfitz Ulfeldt. Da geschah es eines Tages, daß die Haushofmeisterin, die die Kinder immer noch unter ihrer Fuchtel hatte, ihr eine solche Tracht Prügel verabreichte, daß sie viele Wochen lang nicht sitzen konnte und für alle Zeit einen Schaden zurückbehielt. Leonora Christine ging zu ihrem Verlobten und beklagte sich. Von Stund an war Schluß mit dem brutalen Regiment der Haushofmeisterin. Sie wurde hinausgeworfen und kam niemals wieder in königliche Dienste.
    Der ältesten Tochter des Königs mit Kirsten Munk, der armen Anna Catherine, war kein langes Leben beschieden. Und dabei war sie so stolz gewesen auf ihren Verlobten, Frans von Rantzau. Doch 1632 war der junge Adlige bei seinem künftigen Schwiegervater zu Gast, um seine Ernennung zum Reichshofmeister zu feiern. Nun muß man wissen, daß einiges dazugehörte, dem Trinkvermögen des Königs standzuhalten. Der junge Rantzau berauschte sich dermaßen, daß er kopfüber in den Wallgraben fiel und ertrank.
    Die kleine Anna Catherine
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