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V wie Viktor

V wie Viktor

Titel: V wie Viktor
Autoren: A Schwarz
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Bahre, küsste Sasha auf die Stirn und legte die schwarze Rose an ihre Seite. Raphael blieb besonders lange stehen, wischte sich immer wieder über die Augen und sprach leise mit ihr.
    Viktor war die ganze Zeit mit versteinert wirkender Miene an seinem Platz geblieben, starrte vor sich auf den Boden. Nach Lin war ich an der Reihe, ich betrachtete das schmale Porzellangesicht mit den geschlossenen Augen. Sie hatte Viktor das Leben gerettet und dafür war ich ihr mehr als dankbar. Daher fiel es mir nicht schwer, sie zu küssen. Ich flüsterte leise »Danke« und legte sorgfältig meine Rose neben ihr auf den Rand. Viktor war der Letzte. Er küsste sie erst auf die Stirn, dann auf beide Wangen und streichelte sanft über ihr Haar.
    »Ich finde ihn — und ich werde ihn töten. Das schwöre ich dir.«
    Ein Racheschwur an eine Tote! Ich konnte ihn gut genug einschätzen, um zu wissen, dass er ihn um jeden Preis einhalten würde.
    Die anderen hatten sich schon wieder ins Innere des Bootes begeben. Raphael winkte uns zu, auch hineinzugehen. Gerade als er die Tür schließen wollte, kam draußen ein Motorrad über den schmalen Weg angeschossen und legte in einer Staubwolke eine Vollbremsung hin. Andrew! Er stieg ab, war mit drei großen Sätzen an Bord und bei Sasha. Seine völlig unpassende Kleidung, Jeans und Lederjacke, und das Zuspätkommen schienen Viktor sehr zu ärgern. Er presste die Lippen aufeinander und kniff die Augen zusammen, sagte aber kein Wort. Währenddessen beobachtete ich mit wachsender Besorgnis den Himmel, auf dem der erste rote Schimmer den nahenden Sonnenaufgang ankündigte.
    »Andrew! Komm endlich«, rief Raphael ihm ungehalten zu.
    Er verharrte noch ein paar Sekunden, ging dann an uns allen vorbei, ohne uns eines Blickes zu würdigen, ließ sich in einen der Sessel am Kamin fallen. Viktor schloss die Tür und drückte auf einen daneben angebrachten Schalter. Durch die großen Fenster konnte man auf das Deck hinaus schauen und beobachten, wie die Konstruktion sich in Bewegung setzte. Eine Art Hydraulik hob die Bahre über die Reling an, schwenkte seitlich aus und senkte sich auf den Fluss. Gleichzeitig schlossen sich die Rollläden vor allen anderen Fenstern. Wir sahen zu, wie die Bahre langsam zur Seite kippte und von ihrer Halterung aufs Wasser glitt. Die schützende Decke war am Gestänge festgebunden, blieb daran hängen und gab Sashas nackte, vollkommene Schönheit preis. Sie war schon ein kleines Stück hinausgetrieben, als sie der erste Sonnenstrahl traf. Ein Raunen ging durch die Vampire und sie wichen unwillkürlich zurück. Viktor nicht.
    Er blieb stehen und nahm meine Hand, ohne Sasha aus den Augen zu lassen. Ich starrte mit offenem Mund hinaus und sah zu, wie sie vollends von der Sonne erfasst wurde. Es war gruselig und faszinierend zugleich. Sie ging nicht in Flammen auf, wie ich es fast erwartet hätte, sondern zerfiel einfach zu Staub. In weniger als zwei Minuten war nur noch schwarze Asche übrig, die vom leichten Wind erfasst und auf den Fluss geweht wurde. Die leere Bahre mit den schwarzen Rosen trieb immer weiter hinaus. Ein Windstoß erfasste den hauchdünnen Schal und wirbelte ihn weit nach oben. Das intensive Grün der Seide leuchtete in der Sonne auf. Es war, als würde sie uns zum Abschied zuzwinkern. Viktors Finger drückten fester zu.
    Lautlos liefen ihm die Tränen über die Wangen.
    Als die tödlichen Strahlen dem Boot immer näher kamen, schloss sich auch vor uns der schützende Rollladen. Seufzend drehte ich mich um, es herrschte Totenstille. Jeder starrte mit feucht glänzenden Augen ins Leere, in seinem Kopf und seinen Gedanken gefangen.
    Nur Andrew sah mich direkt an.
    Ohne ein einziges Mal zu blinzeln, bohrte er seinen Blick in Meinen. Um uns herum kam langsam wieder Bewegung auf und sie begannen leise miteinander zu reden. Viktor hatte sich einem der russischen Männer zugewandt, stand somit mit dem Rücken zu mir. Andrew stand langsam auf und kam auf mich zu.
    Das geht nicht gut!
    Er blieb direkt vor mir stehen. Nah, viel zu nah. Sein Atem roch nach Schnaps und in seinen Augen lag eine aggressive Entschlossenheit. Ich konnte nicht ausweichen, da ich schon an Wand stand. Erschrocken sah ich mich um, aber weder Vik noch jemand der anderen kümmerte sich um uns.
    »Hallo Anna. Schön, dich endlich wieder zu sehen. Und in so liebevoller Begleitung.«
    In den leisen Worten schwang ein deutlicher Sarkasmus mit.
    Aus Angst jemand könne uns hören, flüsterte ich: »Du
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