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V wie Viktor

V wie Viktor

Titel: V wie Viktor
Autoren: A Schwarz
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öffnete die Tür und ließ mir galant den Vortritt.
    Ich blieb stehen und atmete tief durch. Die noch frühlingskühle Nachtluft tat so gut. Er reichte mir wortlos eines der Gläser. In seinen Augenwinkeln lag ein Lächeln, während er das Glas hob und trank.
    »Kennen wir uns?« brach ich schließlich als Erste das Schweigen.
    Jetzt erreichte das Lächeln auch seinen Mund.
    »Nein, aber das sollten wir schnell ändern!«
    Hm, nicht sehr originell. Andererseits – er hatte mir geholfen. Und er sah unverschämt gut aus. Kein Wunder, dass die Frauen im Saal ihn so angestarrt hatten!
    Trotz meiner hohen Absätze war er fast einen Kopf größer als ich. Ich schätzte ihn auf Anfang bis Mitte 40, aber im Gegensatz zu Horst (oder Hans oder …) konnte ich keinerlei B an ihm entdecken. Hohe Wangenknochen, ein kantiges Kinn, kurze, dunkle Haare und ausgesprochen sexy wirkende, graue Schläfen. Warum sehen Männer mit grauen Schläfen nur so verflucht gut aus? Der wie angegossen sitzende, schwarze Anzug, ein graues Hemd und eine schwarze Krawatte komplettierten das Bild. Und dazu diese unfassbar postkartenhimmelblauen Augen, die sogar hier draußen im Halbdunkel leuchteten!
    Mit genau diesen sah er mich nun an, gelassen, souverän, so gar nicht um Beifall heischend, wie sein Vorgänger.
    »Und was war nun so wichtig?«, fragte ich.
    Ok, das war auch nicht sehr originell. Aber dieser Mann machte mich nervös. Sein kurzes Auflachen war weich und dunkel und kitzelte in meinem Bauch.
    »Sie haben sich so offensichtlich gelangweilt, das konnte ich nicht länger mit ansehen.«
    »Oh Gott!«
    Ich warf einen erschrockenen Seitenblick in den Saal zu meinem Chef, doch er beruhigte mich sofort wieder.
    »Ich glaube nicht, dass es jemand außer mir bemerkt hat.«
    Gleichzeitig taxierte er mich ganz offen von Kopf bis Fuß. Frech! Da sprangen sofort meine oft geübten Abwehrmechanismen an. Gegenangriff!
    »Und? Gefällt Ihnen, was Sie sehen?«, fragte ich schnippisch.
    »Allerdings! Ausgesprochen gut! Und ganz ehrlich, dieses Kleid ist viel zu schade für einen Anlass wie diesen. Sie sehen atemberaubend aus.«
    Wow! Wann hatte mich das letzte Mal jemand atemberaubend genannt? Wenn man mal die dreißig hinter sich gelassen hat und aus Jeansgröße S herausgewachsen ist, kommt das nicht mehr sehr oft vor. Verlegen zupfte ich an meinem Rock. Meine Schlagfertigkeit, auf die ich sonst so stolz war, ließ mich komplett im Stich. Seine Augen fixierten mich, er machte einen kleinen Schritt nach vorne. Halb erschrocken, halb erwartungsvoll hielt ich die Luft an.
    Will er mich küssen? Er wird doch nicht!
    Nein, tat er nicht. In einer einzigen fließenden Bewegung zog er sein Jackett aus und legte es mir um die Schultern.
    »Sie wollen sich doch nicht erkälten.«
    Für einen kurzen Moment stand er so nah, dass ich seinen Atem auf meinem Haar fühlen konnte und mir die Luft wegblieb. Ich hatte noch nie einen Mann getroffen, der eine so greifbare Sinnlichkeit ausstrahlte.
    Er trat mit einem leicht erstaunten Gesichtsausdruck zurück, sah mich einen Moment nachdenklich mit schmalen Augen an. Dann nahm er mir entschlossen das Glas ab, stellte es auf die Mauerbrüstung und griff nach meiner Hand.
    »Komm! Wir gehen!«
    Ohne einen einzigen Gedanken darüber, dass es verrückt, wenn nicht sogar mehr als mutig war, mit einem völlig Fremden zu gehen, folgte ich ihm die Treppen hinunter zum Parkplatz.
    Er führte mich zu einer schwarzen Limousine, vor der ein respekteinflößender, uniformierter Riese stand, der uns die hintere Tür öffnete. Zugegebenermaßen beeindruckt ließ ich mich auf die Rückbank sinken, während der Fahrer einstieg und den Wagen in Gang setzte. Ich schaute mich um, das war Luxus pur. Weiche Lederpolster, poliertes Holz, massenhaft Platz, in so einem Auto hatte ich noch nie gesessen. Ich konnte ein zufriedenes Aufseufzen nicht zurückhalten. Grinsend nahm er wieder meine Hand.
    »Geht es dir gut Anna?«
    Woher weiß er meinen Namen? Apropos Namen …
    »Wie heißt du eigentlich? Du hast dich nicht vorgestellt.«
    Das Du ging mir ganz leicht über die Lippen.
    »Du hast recht! Wie unhöflich von mir. Verzeih! Mein Name ist Viktor, Viktor Ivanov.«
    »Anna Marquardt. Ivanov? Das ist russisch, oder? Bist du Russe?«
    Ich konnte keinen Akzent hören. Er schmunzelte.
    »Gewisserweise. Aber eigentlich bin ich überall auf der Welt zu Hause.«
    Eine rätselhafte Antwort. Wie der ganze Mann. Aber trotzdem — oder gerade deshalb, sehr
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