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V wie Viktor

V wie Viktor

Titel: V wie Viktor
Autoren: A Schwarz
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sechs unten im Wohnzimmer. Viktor war noch nicht zurückgekommen. Hatte ich ihn so verärgert? Ich brannte darauf, es wieder gutzumachen, ihm zu beweisen, dass er der Einzige für mich war. Suchend sah ich mich im Zimmer um. Meine Sachen von gestern waren schmutzig und verschwitzt, aber ich konnte schlecht im Bademantel zu einer Beerdigung gehen. Ich beschloss, erst zu duschen und dann nach Darius zu suchen, vielleicht konnte er mir weiterhelfen. Aber das war gar nicht nötig, im Badezimmer hing an der Tür ein Kleidersack, darauf ein Zettel mit Viktors Handschrift: »Ich hoffe, es gefällt dir.«
    Es war ein schlichtes, elegantes, schwarzes Kleid mit passender Wäsche, Schuhen und einem leichten Mantel. Sie passten wie angegossen. Absolut perfekt.
    Den Mantel über dem Arm, machte ich mich auf den Weg nach unten. Auf dem Gang kam mir Lin entgegen. Auch sie trug ein schwarzes, ziemlich eng anliegendes Kleid, hatte die Haare streng zu einem hohen Zopf geflochten. Sie sah fantastisch aus. Mit einem Räuspern schluckte ich jede Anwandlung von Eifersucht herunter und nahm die mir angebotene Hand. Raphael war bereits da, saß mit gesenktem Kopf wie ein Häufchen Elend vor dem Kamin. Ich setzte mich neben ihn, nahm seine Hand und drückte sie. Er nickte mir traurig lächelnd zu und hielt meine Hand fest. Lin setzte sich an seine andere Seite und schlang ihren Arm um seine Taille, küsste ihn voller Mitgefühl auf die Wange. Eine Träne rann über seine Nase und blieb an der Spitze hängen. Er wischte sie weg, atmete tief ein und straffte sich.
    »Sollen wir?«
    Er sah erst Lin, dann mich an.
    »Äh … Ja … Wo ist denn Viktor?«
    »Wir treffen ihn dort. Er musste noch einige Vorbereitungen treffen.«
    Darius wartete mit dem Wagen bereits auf uns. Raphael, ganz Gentleman ließ Lin und mich zuerst einsteigen, setzte sich dann auch zu uns nach hinten. Die kurze Fahrt verlief sehr schweigsam. Überrascht stellte ich fest, dass wir zum Hausboot fuhren. Raphael bot uns seinen Arm an und gemeinsam gingen wir den schmalen Weg zum Wasser. Diesmal war es ohne die Stilettos wesentlich einfacher an Bord zu kommen. Auf dem Vordeck war eine kompliziert aussehende Konstruktion angebracht, darauf lag auf einer Art Bahre Sasha!
    Jemand hatte sie gewaschen und ihre roten Locken glänzten im weichen Schein der vielen Kerzen, die um sie herum aufgestellt waren. Ein kostbar schimmerndes Tuch bedeckte sie und ein smaragdgrüner Seidenschal in der Farbe ihrer Augen verbarg die riesige Wunde am Hals. Sie sah friedlich und wunderschön aus. Viktor kam uns entgegen, er trug einen formellen, schwarzen Anzug und begrüßte jeden von uns mit einer Umarmung und den in Russland üblichen drei Wangenküssen. Dazu sagte er jedes Mal die Worte: »Willkommen im Namen unserer Schwester. Sie dankt dir, dass du sie auf ihrem letzten Weg begleitest.«
    Der Kloß in meinem Hals wurde immer größer.
    »Wartet hier, die anderen sind schon da, ich hole sie.«
    Er hatte mir schon angekündigt, dass noch weitere Vampire anwesend sein würden. Als er wieder nach draußen kam, folgten ihm drei weitere Personen, zwei Männer und eine Frau. Alle waren festlich und ganz schwarz gekleidet und jeder von ihnen hatte eine schwarze Rose in der Hand, auch uns hatte Viktor welche mitgebracht. Er stellte uns kurz vor, lange russische Namen, die ich mir nicht merken konnte. Fasziniert stellte ich fest, dass alle Vampire, die ich bisher kannte, beeindruckend gut aussahen, auch diese drei machten keine Ausnahme. Wir schüttelten uns die Hände, ihre neugierigen Blicke musterten Lin und mich genau, aber es wurden keine Fragen gestellt. Lin sah sich derweil unauffällig nach Andrew um und musste enttäuscht feststellen, dass er nicht anwesend war.
    Mittlerweile zeigte meine Uhr schon kurz nach sechs, der Nachthimmel begann langsam heller zu werden. Wir verteilten uns um die aufgebahrte Sasha. Viktor stellte sich ans Kopfende, wartete, bis alle ihren Platz gefunden hatten und Stille eintrat. Dann begann er zu sprechen. Russisch. Ich verstand leider kein Wort davon. Aber ich verstand seinen Tonfall und seine immer wieder fast brechende Stimme. Neben mir schluchzte die fremde Vampirin laut auf, lehnte sich Halt suchend an ihren Nachbarn. Viktor schloss die Augen und begann leise zu singen, eine langsame, getragene Melodie. Sein klarer, schöner Bariton schwoll an, war so voller Traurigkeit, dass jetzt auch mir die Tränen kamen. Nachdem er geendet hatte, trat jeder von ihnen an die
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