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0511 - Der Fluch der Baba Yaga

0511 - Der Fluch der Baba Yaga

Titel: 0511 - Der Fluch der Baba Yaga
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Ein kalter Windhauch strich über die Sumpflandschaft und ließ die Gestalt in der Kapuzenkutte frösteln. Eine dahinjagende Wolkenbank gab den Mond frei. Die fahle Scheibe des nächtlichen Himmelslichtes spiegelte sich im schwarzen Moorwasser, das in schmalen Rinnsalen einem kleinen See entgegenfloß, dessen Grund auch bei hellstem Tageslicht und selbst unmittelbar am Ufer nicht zu erkennen war. Das Wasser war schwarz. Schöpfte man es, rann es fast klar durch die Finger, aber tauchte man die Hand ein, war sie schon wenige Millimeter unter der Oberfläche nicht mehr zu sehen.
    Hier und da auf dunkler, morastiger Fläche verstärkte sich das Aufsteigen von Blasen im Rhythmus der beschwörenden Silben. Immer wieder flackerten Irrlichter auf; jene tanzenden Lichtgespenster, die schon so manchen nächtlichen Moorwanderer in die Irre und in den Tod gelockt hatten, selbst wenn er glaubte, die sicheren Pfade gut zu kennen.
    Dort, wo die Kuttengestalt stand, war der Boden schon längst nicht mehr sicher. Jeder Fehltritt konnte ins Verderben führen. Eine halbwegs harte Bodenzunge führte, einer Brücke gleich, federnd über unergründlich tiefen Morast. Hier und auf zahllosen kleinen Torfinseln wuchsen dicke, harte Grasbüschel und zuweilen sogar größere Sträucher, die eine trügerische Sicherheit vortäuschten.
    Immer noch murmelte die Gestalt die Worte in der uralten Dämonensprache, die es schon gegeben hatte, als der Planet Erde noch eine heiße Stickstoff- und Kohlendioxidhölle voller lavaspeiender Vulkane und in Gewitterstürmen brennenden Methanwolken war; als selbst an die Vorfahren der Dinosaurier noch jahrmillionenlang nicht zu denken war. »Erscheine«, raunte die Gestalt wieder und wieder.
    In einiger Entfernung hob sich das Moor.
    Das Brodeln verstärkte sich. Über die schwarzen Wasser liefen Wellen, brachten Schaumflocken mit sich. Der Boden begann zu zittern, warf sich auf.
    Etwas stieg aus der Tiefe empor.
    Die Gestalt in der Kapuzenkutte beendete ihre Beschwörung. Ein Augenpaar funkelte rot wie glühende Kohle. Eine Hand strich die Kapuze zurück, gab Kopf und Gesicht frei. Lange, dunkle Haare umflossen ein blasses Frauengesicht. Aus der Stirn wuchs ein Paar leicht gebogener Hörner empor.
    Stygia, die Fürstin der Finsternis, hatte sich persönlich herbemüht, um ein sehr altes Wesen aus einem sehr langen Schlaf zu erwecken.
    Das Haus erhob sich aus dem kochenden und brodelnden Sumpf. Klein und aus Holz, mit verschlossenen Holzläden vor den Fenstern und einem niedrigen Dach aus im Mondlicht morsch wirkenden und in bläulicher Fäulnis glühenden Brettern. Rings um das Haus verfestigte sich der Morast, wurde zu hartem, tragfähigen Boden gebacken, eine Zone, die sich immer mehr ausdehnte, mehrere Meter im Umkreis um das verfallene Haus. Plötzlich kam dieser Prozeß wieder zum Stillstand. Statt dessen schoben sich Holzlatten aus dem fest gewordenen Boden empor und bildeten als Umzäunung die Grenze zwischen Haus und Grund und dem umliegenden Sumpfland. Auf den Spitzen etlicher dieser Zaunlatten steckten ausgebleichte menschliche Totenschädel -und einige von ihnen stammten offenbar auch von Geschöpfen, die zeitlebens nicht unbedingt menschlich gewesen waren…
    Stygia registrierte es mit leichtem Unbehagen.
    Stumm sah sie weiter zum kleinen Haus hinüber. Dort rührte sich nichts. Stygia wartete ab. Sie hatte Zeit; die ganze Nacht und vielleicht noch viele Nächte. Niemand verirrte sich in diese Einsamkeit. Niemand würde Zeuge dieses Geschehens werden.
    Ein eigenartiger, klagender Laut ertönte, ging selbst der Dämonenfürstin durch Mark und Bein. Plötzlich glaubte sie zu erkennen, daß sich unter dem Haus noch etwas befand, das sich bislang nicht gezeigt hatte.
    Und dann - öffnete sich knarrend die Tür…
    ***
    Butler William trat ein. Er balancierte ein Tablett mit einer unetikettierten Flasche und zwei Kristallgläsern. »Ein kleiner Willkommensgruß von Lady Patricia«, verkündete er. »Wir sind alle froh, daß Sie noch unter den Lebenden weilen, Professor. Als Mister Tendyke anrief und von Ihrem tragischen Ableben berichtete, waren wir alle in - in einer Art Weltuntergangsstimmung, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten.«
    Professor Zamorra hob die Brauen. »Wenn ich etwas gestatte, dann allenfalls, daß Sie diese beiden Gläser bis knapp über den Eichstrich füllen.«
    »Sehr wohl.« William setzte das Tablett geschickt ab, entkorkte die Flasche und schenkte ein. Schwarzgebrannter
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