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0511 - Der Fluch der Baba Yaga

0511 - Der Fluch der Baba Yaga

Titel: 0511 - Der Fluch der Baba Yaga
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sterblicher Mensch konnte in einem einzigen Leben nicht so viel erreichen, wie es jenem Feind gelungen war.
    Die Hexe erhob sich wieder von ihrem Ruheplatz.
    Es war an der Zeit, festzustellen, was in ihrem Haus nach so langer Zeit des Verbannungsschlafes noch funktionierte und wie sie diesen Feind erreichen konnte…
    ***
    Stygia schritt durch die Abenddämmerung. Sie wußte, was auf sie wartete und daß es nicht einfach sein würde. Aber es mußte sein; es gab gute Gründe dafür.
    Die ukrainischen Sümpfe nördlich von Kiew lagen hinter ihr. Sie hatte wieder festen Boden unter den Füßen, das Land verlassen, sich in Frankreich icmaterialisiert. Sie stieg den Hang hinauf zur Altstadt von Barleduc, vorbei an den kleinen verlassenen Häusern, die in geradezu aberwitziger Form in sich verschachtelt waren. Hoch oben erreichte sie den großen Vorplatz, hinter dem sich die alte, mächtige Sandsteinkirche mit dem großen Kreuzbogenportal erhob.
    Sie erschauerte.
    Aber sie mußte hindurch, wenn sie wirklich erreichen wollte, was sie sich vorgenommen hatte.
    Alles in ihr sträubte sich dagegen. Warum konnte er nicht außerhalb der Kirchenmauer wohnen?
    Sie wappnete sich mit einer mächtigen Beschwörung und setzte sich wieder in Bewegung. Ehe sie hier heraufgestiegen war, hatte sie im Tal in einem verschwiegenen Hinterhof einen Menschen getötet. Sein Blut, seine Lebenskraft, stärkte sie jetzt in Verbindung mit der Beschwörung. Dennoch fröstelte sie, als sie durch das Portal trat, und sie fühlte, wie sich ihre Haut verhärtete, wie Eiseskälte schmerzhaft nach ihr griff. Sie schloß die Augen, um den Altar und das Kruzifix nicht sehen zu müssen, auch nicht die Reliefs der Heiligenfiguren in den Nischen.
    Vorbei an sechs Säulen… und wie schwer ihr jeder Schritt fiel! Sie wollte umkehren, wollte davonlaufen, fortkriechen, sterben…?
    Nein! Sie kämpfte dagegen an. Alles an und in ihr schmerzte, jede Bewegung fiel ihr schwer, trotz des Schutzzaubers, den sie um sich gewoben hatte.
    Und da war er!
    Ihre Zielperson!
    Der, für den sie diese Qual auf sich genommen und als Höllenfürstin Heiligen Boden betreten hatte!
    Eine Steinfigur. Kunstvoll gearbeitet, vor einem roten Samttuch in seiner Nische stehend und unter einer Wappenkrone postiert: der Lachende Tod!
    Stygia war kaum in der Lage, die filigrane Kunst zu bewundern. Eine Menschenfigur, größtenteils skelettiert, zerfallend im Prozeß der Fäulnis und doch hoch aufgerichtet, einen Arm emporgereckt und in der hochgestreckten Hand ein steinernes Herz haltend, das der Totenschädel betrachtete - trotz der Skelettierung auf rätselhafte Weise lächelnd, gar lachend!
    Doch es war mehr als nur eine Steinfigur.
    In der Figur wohnte er selbst.
    Mühsam streckte die Fürstin der Finsternis die Hand aus. Jede Bewegung fiel ihr unsagbar schwer. Aber sie schaffte es, hineinzugreifen in den skelettierten Steinkörper. Sofort fühlte sie das andere im Stein. Ihre Hand drang wie durch eine zähe Masse durch die Knochen, umschloß etwas, zog es heraus - das Herz!
    Sekundenlang wog sie es in der Hand.
    Dann reckte sie sich empor und legte dieses Herz, das sie seiner Brust entnommen hatte, in seine aufragende Hand.
    Rein optisch veränderte sich dabei nichts. Das Herz, das sich im Inneren befunden hatte, war dort unsichtbar gewesen, und es durchdrang jetzt das steinerne Herz in der steinernen Hand, bis es deckungsgleich war.
    Im selben Moment geschah es.
    Der Lachende Tod erwachte. Er löste sich aus der Steinfigur, sprang von dem kleinen Podest herunter. Zugleich stand die Steinfigur immer noch unverändert in der Nische.
    Unverändert?
    Nein, etwas schien jetzt anders zu sein als zuvor. War die Steinskulptur nicht wesentlich blasser geworden? Unwirklicher? So, als fehle jetzt etwas von ihrer Substanz?
    Der Lachende Tod sah Stygia an, sein Schädel grinste. Er sprach. »Närrin«, vernahm die Fürstin, und es klang irgendwie nachhallend, hohl, tot. Es war, als komme die Stimme aus einer gänzlich anderen Welt. »Närrin«, wiederholte der Lachende Tod. Er warf das Herz in die Luft, blickte hinauf, sah es fliegen, einen Moment schweben und dann wieder fallen, fing es geschickt auf. Abermals warf er es empor, fing es - sein Herz, das nun nicht mehr in seinem Skelettkörper schlug, sondern außerhalb pochte. Ohne ein weiteres Wort schritt er jetzt an Stygia vorbei, summte leise eine Melodie vor sich hin, die sie nie zuvor vernommen hatte. Es schien, als störe ihn die Aura des
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