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0511 - Der Fluch der Baba Yaga

0511 - Der Fluch der Baba Yaga

Titel: 0511 - Der Fluch der Baba Yaga
Autoren: Werner Kurt Giesa
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zutreffend. Ich habe mir erlaubt, den Kamin in der kleinen Bibliothek anzuheizen. Es ist doch schon recht kühl geworden.«
    Das mußte ausgerechnet dieser Schotte sagen, der aus einem Kälteloch in den Highlands kam, in dem man selbst im Sommer noch mit vereinzelten Schneefällen rechnen mußte. Kühl? Draußen herrschten fast zwanzig Grad, und damit war es für den beginnenden Frühherbst recht warm.
    Aber gegen ein knisterndes Kaminfeuer war nichts einzuwenden.
    Die kleine Bibliothek war ein gar nicht so kleiner Raum, in dem man gemütlich vor dem Kamin sitzen und lesen konnte - oder sonstige Dinge treiben. An Büchern gab es einige Regale voller Romane unterschiedlichen Niveaus, von Joyce und Kafka über Böll und Grass bis zu Simmel und Lamont. Zamorras »eigentliche« Bibliothek, die Sammlung von Fachliteratur und alten und uralten Büchern, Schriften, Pergamenten; die sich alle mit Magie, Parapsychologie, Okkultismus, Dämonologie, Mythen und Legenden befaßten, befand sich in einem der beiden Seitenflügel des Châteaus. Solche Schätze, die teilweise weltweit nur in einem einzigen Exemplar existierten, durften nicht eingeräuchert werden.
    »Also gut«, lächelte Zamorra. »Richten wir uns dort häuslich ein.« Er beugte sich zu Nicole hinüber und küßte ihre Wange und ihr Ohrläppchen. Dann wandte er sich wieder William zu.
    »Vielleicht läßt sich das Abendessen auch dort auftragen, und danach eine Flasche guten Rotweins aus unseren unergründlichen Kellertiefen. Was könnten wir denn da nehmen, warten Sie mal…«
    Nicole half aus und bestimmte Sorte und Jahrgang.
    Sie siedelten in die kleine Bibliothek über. Eigentlich eine recht untypische Art der Heimkehr. Aber mit Lady Patricia konnten sie sich auch noch später unterhalten, wenn die junge Mutter wieder auf den Beinen war -sie brauchte ihren Schlaf vermutlich mehr als nötig. Und was die Post der letzten Tagen anging, die konnte auch morgen noch gesichtet werden.
    Ebenso wie der übliche Heimkehrbesuch in der Dorfschänke.
    Warum sollte man nicht auch einmal mit alten Traditionen brechen? Schließlich hatten sie sich beide die Ruhe der ungestörten Zweisamkeit redlich verdient!
    ***
    Mit lautem Knarren wurde die Tür geöffnet, deren Angeln seit vielleicht Jahrhunderten nicht mehr geölt worden waren. Auch das Holz, von der Feuchtigkeit der langen Zeit unter dem Moor ganz verquollen, klemmte. Schließlich sprengte ein heftiger, wütender Ruck sie nach außen.
    Dahinter war Finsternis. Stygia vermochte trotz ihres dämonischen Sehvermögens, welches das der Menschen weit übertraf, nicht zu erkennen, was sich im Innern der Hütte befand. Für sie zeigte sich der scheinbar einzige Innenraum des halb verfallenen Holzhauses als eine undurchdringliche, schwarze Wand.
    Aus der Schwärze trat jetzt eine Frau hervor.
    Sie war alt, uralt. Ein verwittertes, bleiches Gesicht, das Ewigkeiten lang kein Sonnenlicht mehr gesehen hatte, mit schwarzen Augen, die tief in den Höhlen lagen. Strähniges, schmutziges graues Haar fiel dünn auf die Schultern. Schmale Lippen, wie Bleistiftstriche, unter einer scharf gebogenen Nase verrieten die Liebe zum Haß. Die leicht vorgebeugt gehende Frau trug einen schwarzbraunen, einfachen Kittel, von dem durchdringender Modergeruch ausging. Es war fast ein Wunder, daß die Stoffasern nicht schon bei den ersten Bewegungen auseinanderfielen. Aber vielleicht war es der Schmutz, der sie aneinander haften ließ.
    Langsam, schwerfällig, ihrem Aussehen - dem einer Hundertzwanzigjährigen - entsprechend, tappte sie über den hartgebackenen Boden zum Zaun, schritt durch das schmale Tor und schwebte über den Sumpf auf Stygia zu. Ihre Füße berührten weder Gras noch Morast noch Wasser. Lautlos glitt sie heran, bis sie die Dämonenfürstin erreicht hatte. Vor der Fürstin der Finsternis sank sie die drei Handbreiten wieder hinab und stand auf der federnden Landzunge.
    Sie war kleiner als Stygia, mußte zu der Teufelin aufblicken. Jetzt, wo sie sich unmittelbar gegenüberstanden, spürte Stygia den Hauch der Macht, der von dieser alten Hexe ausging. In ihr wohnte eine unglaubliche Kraft, und Stygia begann sich zu fragen, ob die Uralte nicht sogar zu den Erzdämonen gehörte, zu den ganz Mächtigen vom Anbeginn des Multiversums. Einige sollte es geben, von denen niemand mehr etwas wußte, die aber noch längst nicht tot waren…
    Stumm sahen die beiden Frauen sich an.
    Ihre Gedanken fanden und berührten sich.
    Sie benötigten keine
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