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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld
Autoren: Eva Völler
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Kapitel 1
    D ie Schlafzimmertür ging auf, ein schwacher Lichtschein fiel in den Raum, und Dirk kam ins Wohnzimmer getappt. Die Boxershorts hingen ihm schlabbrig um die Hüften und rutschten noch weiter hinab, als er sich ausgiebig an den Hoden kratzte. Das dabei erzeugte Geräusch untermalte er mit einem zufriedenen Summen, rhythmisch begleitet vom Patschen seiner nackten Füße auf dem Parkett – das Dirk-muss-aufs-Klo-Nachtkonzert.
    Auf seinem Weg ins Badezimmer kam Dirk am Sofa vorbei und spähte zu mir herüber. »Oh, bist du wach, Charlotte?«
    »Nein.«
    »Ups. Ich hoffe, ich hab dich nicht gestört.«
    »Nein, überhaupt nicht.« Wieso auch, ich höre dir und Dorothea gern dabei zu, wie ihr das Bett zum Wackeln bringt, und besonders mag ich die Stelle, an der du so laut hyperventilierst, dass ich beim ersten Mal fast den Notarzt gerufen hätte.
    Dirk verschwand im Bad und ließ es ins Klo plätschern, auch eines der Geräusche, mit denen ich seit einer Woche lebte. Ich hätte mir längst Ohrstöpsel besorgen können, aber irgendwie schaffte ich nicht mal das. So wie ich in den letzten Tagen kaum was geschafft hatte, außer lethargisch auf Dorotheas Sofa herumzuliegen und darauf zu warten, dass etwas geschah. Doch es passierte jeden Tag dasselbe – nämlich nichts.
    Die Klospülung rauschte, Dirk kam – wie immer ohne die Klobrille runterzuklappen und mit ungewaschenen Händen – aus dem Bad und tappte zurück ins Schlafzimmer.
    »Alles okay, Charlotte?«, fragte er im Vorbeigehen.
    »Alles super«, behauptete ich.
    »Gut. Brauchst du noch irgendwas?«
    »Nein, danke.« Bloß meine Ruhe .
    Die Schlafzimmertür fiel leise wieder zu, und ich versuchte, endlich einzuschlafen, aber meine Gedanken wollten keine Nachtruhe einhalten. Sie kreisten um die Frage, wie zum Teufel ich auf dieses Sofa gekommen war.
    Schuld daran waren zwei Personen, der Gerichtsvollzieher und Klaus.
*
    Meine Begegnung mit dem Gerichtsvollzieher hatte vor genau einer Woche stattgefunden, und als er auftauchte, war ich zuerst davon überzeugt, das Ganze müsse ein Versehen sein. Oder ein Albtraum. Vor allem, als er einer Horde schwitzender Möbelpacker befahl, alle Sachen aus dem Haus zu holen. Aber es war weder ein Versehen noch ein Albtraum, sondern eine Räumung.
    Die spulte sich seit letzter Woche immer wieder wie ein Film vor meinem geistigen Auge ab, aber mir fielen rückblickend ständig neue Einzelheiten ein. In dieser Nacht auf Doros Sofa erinnerte ich mich beispielsweise daran, dass der Gerichtsvollzieher einen seltsamen Sprachfehler gehabt hatte. Er hatte Probleme gehabt, das B vom P zu unterscheiden; genauer gesagt, hatte er jedes B wie ein P ausgesprochen.
    »Es geht nicht, dass Sie im Haus wohnen pleipen«, hatte er beispielsweise gesagt. Und: »Den Schlüssel müssen Sie mir hier und jetzt herausgepen.«
    Als er an der Tür geklingelt hatte, ahnte ich nichts Böses. Im Gegenteil – ich hatte ein paar Tage vorher Schuhe im Internet bestellt und wartete schon auf die Lieferung. Doch als ich die Tür öffnete, stand nicht der Paketbote draußen, sondern ein Typ, der aussah wie die personifizierte Behörde: steife Haltung, stechender Blick, verkniffenes Gesicht, gebügelte Hose, blank geputzte Schuhe.
    »Ich pin Gerichtsvollzieher.« Er zeigte mir ein amtlich aussehendes Schriftstück. »Das ist der Räumungspefehl.«
    Ich starrte das Dokument verblüfft an. »Das muss ein Irrtum sein. Hier ist nichts zu räumen.«
    »Doch. Und zwar zwangsweise.« Er winkte einer Truppe von Männern zu, die gerade aus einem großen Möbeltransporter stiegen. »Es kann losgehen!«
    »Aber ich wohne hier! Und das Haus gehört mir!« Ich besann mich. »Oder jedenfalls so gut wie. Der Eigentümer ist mein ehemaliger Lebensgefährte. Er ist nach unserer Trennung vor vier Monaten ausgezogen und hat das Haus mir überlassen. Als Ausgleich für ein Darlehen, das ich ihm gegeben habe.« Mit Betonung fügte ich hinzu: »Ein großes Darlehen.«
    Der Gerichtsvollzieher musterte mich mit einer Spur von Mitleid. »Sie wissen sicher, dass pei Grundstücksüpertragungen nur notarielle Verträge und Eintragungen im Grundpuch zählen, oder?« Er gab den Möbelpackern einen Wink, ins Haus zu gehen.
    »Moment mal!« Ich versuchte, mich ihnen in den Weg zu stellen. »Das mit der Eigentumsübertragung des Hauses an mich ist doch nur eine Formsache! Klaus – Herr Pieper – hat gesagt, die Umschreibung ist praktisch schon durch!«
    »Das ist sie tatsächlich. Und
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