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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Andrea Camilleri
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Batterien sollten eine fast unbegrenzte Lebensdauer haben, aber gute Batterien wurden seltener.
    Er bereitete eine Brühe zu, flößte dem alten Mann wieder etwas Alkohol ein und öffnete das Kopfende des Schlafsacks. Der Mondschein sickerte durch die abgenutzte Zeltplane, so daß Arflane genügend Licht hatte. Der Friesgalter hustete und stöhnte. »Möchten Sie etwas Brühe?« fragte Arflane.
    »Wenn Sie etwas entbehren können …« In der erschöpften Stimme, die noch immer Spuren früherer Stärke aufwies, schwang ein verwunderter Unterton mit.
    Arflane hielt ihm einen Becher mit warmer Brühe an die aufgeplatzten Lippen. Der Friesgalter schluckte und gab einen Grunzlaut von sich. »Das genügt einstweilen. Ich danke Ihnen.« Arflane stellte den Becher wieder auf den Kocher und blieb eine Weile schweigend neben dem Mann sitzen. »Wie weit sind wir von Friesgalt entfernt?« fragte der Alte.
    »Nicht weit. Ungefähr zehn Stunden auf Schneeschuhen. Wir könnten weiter, solange der Mond zu sehen ist, aber ich folge keiner Strecke, die auf der Karte eingetragen ist. Darum muß ich den Morgen abwarten.«
    »Natürlich … Ich dachte, es wäre nicht mehr so weit, aber …« Er hustete wieder schwach und hohl. »Man kann sich in den Entfernungen verschätzen. Ich hatte Glück. Sie haben mich
gerettet. Ich bin Ihnen dankbar. Sie stammen aus Brershill, nach Ihrem Akzent zu urteilen. Warum haben Sie –?« »Das weiß ich nicht«, unterbrach ihn Arflane mit schroffer Stimme.
    Wieder folgte ein längeres Schweigen, in dem Arflane sich mit seinen Decken zu schaffen machte. Der Alte hatte seinen Schlafsack. Es würde nicht allzu kalt werden, wenn Arflane, entgegen seinen normalen Gewohnheiten, den Kocher in Betrieb ließ.
    Der Friesgalter sagte leise: »Es ist ungewöhnlich, wenn ein
Mann sich auf einem nicht gekennzeichneten Gebiet bewegt.
Selbst im Sommer.«
»Das ist wahr«, entgegnete Arflane.
    Nach einer Pause sagte der Friesgalter heiser und mit hörbar müder Stimme: »Ich bin Lord Pyotr Rorsefne. Die meisten Leute hätten mich auf dem Eis sterben lassen – sogar die Leute meiner eigenen Stadt.« Arflane grunzte mürrisch.
    »Sie sind ein großmütiger Mann«, fügte der ›Schiffslord‹ von Friesgalt hinzu, bevor er einschlief.
    »Wahrscheinlich bin ich nur ein Narr«, sagte Arflane und schüttelte den Kopf. Er legte sich auf die Polsterdecke und verschränkte die Hände im Nacken. Er schürzte einen Augenblick lang die Lippen und lächelte ironisch. Das Lächeln verschwand, als er ebenfalls einschlief.

    2

    Knapp acht Stunden nach Anbruch der Morgendämmerung sah Konrad Arflane die Stadt Friesgalt. Wie alle acht Städte lag sie unter der Oberfläche des Eises. Die Unterkünfte waren in die Wände einer natürlichen Schlucht getrieben, die eine Tiefe von fast einer Meile hatte. So war auf der Oberfläche nur wenig von der Stadt zu sehen. Rund um die Schlucht war eine Mauer aus Eisblöcken, welche die Stadt vor den Elementen und auch vor menschlichen Feinden beschützten.
    Es waren vielmehr die hohen Masten der Segelschlitten, die verrieten, daß sich hier eine Stadt befand. Auf den ersten Blick glaubte man, symmetrische Baumkronen zu sehen, ein dichter Wald, der der Natur trotzte und wie der Wunschtraum eines alten Städteplaners von einer harmonisch geordneten Landschaft aussah.
    Als er näher gekommen war, konnte er Einzelheiten erkennen. Er sah ungefähr fünfzig bis sechzig Schlitten von beachtlicher Größe, deren Taue an im Eis steckenden Pfählen verankert waren. Ihre Fiberglasrümpfe waren von den Witterungen der Jahrhunderte angenagt, und der größte Teil der Ausrüstung entsprach nicht mehr der ursprünglichen. Aber man hatte Kopien aus natürlichem Material angefertigt. Die Befestigungshölzer waren durch Walroßelfenbein ersetzt worden, die Spanten waren aus Walknochen, und die Takelung war eine Mischung aus kostbarem Nylonsegeltuch und Seehundfellen. Die Gleitkufen und Holme der meisten Schiffe waren ebenfalls aus Walknochen hergestellt.
    Die Segel waren, ebenso wie die Rümpfe, synthetischen Ursprungs. Jede Stadt hatte einen großen Vorrat an Nylonsegeltuch; tatsächlich war die wirtschaftliche Macht einer Stadt von der Menge des Nylongewebes in den Lagerräumen abhängig. Alle Schiffe – bis auf eines, das ausfahren wollte – hatten ihre Segel eingezogen.
    Der Liegeplatz war zwanzig Schiffe lang und drei Schiffe breit. Neue Fahrzeuge waren nicht im Bau, denn in der Welt, in der Konrad Arflane
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