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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr
Autoren: Wadim Koshewnikow
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ERSTER TEIL
1
    Im Sommer 1940 wurde in Riga ein sowjetischer Bürger deutscher Nationalität ermordet.
    Die Ermittlungen der Kriminalabteilung ergaben folgendes: Mord durch eine Schußwaffe besonderer Art, die mit Ampullen von Zyankali geladen wird; Ampullen, bei deren Explosion konzentrierte Dämpfe entstehen, die das Opfer augenblicklich und geräuschlos töten.
    Obwohl dem Ermordeten verschiedene Wertgegenstände entwendet worden waren — Trauring, Uhr, Brieftasche —, gelang es, einen Teil dieser Sachen, als Bündel verpackt und in einen Kanalisationsschacht geworfen, ausfindig zu machen, was die Möglichkeit eines Raubmordes ausschloß.
    Man vermutete, daß es sich um eine organisierte Terroraktion handelte.
    Der Ermordete war ein erfahrener Spezialist auf dem Gebiet der Radiotechnik, der Ingenieur Rudolph Schwarzkopf.
    Sein Sohn, Heinrich Schwarzkopf, Student am Rigaer Polytechnikum, konnte zum Tod seines Vaters keinerlei Hinweise geben.
    Die Kriminalabteilung ließ Johann Weiß vorladen, einen Schlosser aus der Autoreparaturwerkstatt Friedrich Kunzes.
    Nach den vorliegenden Angaben hatte sich Weiß am Tage der Ermordung längere Zeit in der Wohnung Schwarzkopfs aufgehalten, wo er auf Weisung des Ingenieurs ein Radioteil eingebaut hatte. Darüber hinaus stand Weiß in freundschaftlichen Beziehungen zu dem Sohn Schwarzkopfs, der ein begeisterter Anhänger des Motorrennsports war, und Weiß hatte an der Zündapp von Schwarzkopf schon etliche Verbesserungen angebracht. Es war auch bekannt, daß Weiß regelmäßig die Zusammenkünfte des Deutsch-Baltischen Volksbundes besuchte und unentgeltlich den Wagen des Kreisleiters des Bundes, des Anwalts Sebastian Funk, bei dem er auch in seiner Freizeit als Chauffeur arbeitete, reparierte.
    Im Verhör zeigte sich Weiß sehr zurückhaltend, antwortete nur ausweichend auf die Fragen. Und als der junge Mitarbeiter der Kriminalabteilung Weiß gereizt vorwarf, dieser wolle bei der Untersuchung anscheinend nicht mithelfen, obwohl der Ermordete sein Landsmann sei, antwortete Weiß, er sähe nichts Besonderes darin, daß der Ermordete gerade sein Landsmann sei.
    Diese Worte brachten den Untersuchungsrichter auf. Er begann Weiß Vorwürfe zu machen: ob er, ein junger Arbeiter, sich nicht schäme, solche Dinge zu reden? Ob Weiß nicht verstehe, daß gerade jetzt proletarische Solidarität alle Arbeiter ungeachtet ihrer Nationalität vereinen müsse?
    Weiß hörte aufmerksam zu, doch seinem Gesicht war nicht anzusehen, wie er die Worte des Untersuchungsrichters aufnahm.
    Nach dem Verhör ging Weiß in ein Café, wo er Bier und Würstchen bestellte und ruhig frühstückte. Und genauso ruhig ging er dann zur Haltestelle, ließ eine Straßenbahn durchfahren, nahm die nächste und schaute den ganzen Weg melancholisch aus dem Fenster; stieg dann aber dort, wo der Kreisleiter Funk wohnte, hastig aus und machte sich eilig auf den Weg.
    Als Weiß auf den altmodischen Adler zusteuerte, zwängte sich Funk bereits mühselig in den Vordersitz.
    Dann fragte er heftig:
    „Warum muß ich auf den Wagen warten und nicht der Wagen auf mich?"
    Weiß erwiderte kurz:
    „Entschuldigen Sie, Herr Funk, ich hatte Unannehmlichkeiten." „Was kannst du schon für Unannehmlichkeiten haben", brummte Funk und fragte dann ungnädig:
    "Also, was war los?"
    Weiß erzählte ausführlich von dem Verhör. Bei diesem Bericht nahm Funks Gesicht einen immer gutmütigeren Ausdruck an. Er schlug dem Chauffeur auf die Schulter.
    „Das hat nichts zu bedeuten. Sie brauchen einen deutschen Täter. Und du bist Deutscher.”
    „Aber, Herr Funk, Sie kennen mich doch. Ich möchte Sie bitten, nötigenfalls mein Anwalt zu sein."
    „Was heißt hier nötigenfalls", sagte Funk herablassend. „Du bist Arbeiter, und einen Arbeiter werden sie nicht verdächtigen." „Aber was für ein Arbeiter!" erwiderte Weiß hitzig. „Sie wissen, daß ich Landwirt werden wollte. Ich wußte nur nicht, daß die Wirtschaft schon meiner Tante gehörte."
    „Und weil du das nicht wußtest, hast du einige Monate deine kranke Tante gepflegt. Du brauchst dich nicht zu wundern!"
    Und trocken fragte er:
    "Schwankst du immer noch, ob du nun nach Hause fahren oder bei den Bolschewiken bleiben willst?"
    „Ich habe mich entschieden", sagte Weiß. „Ich fahre, und zwar so schnell wie möglich."
    „Warum so plötzlich?"
    „Heute beim Verhör habe ich begriffen, wie schlecht man hier mit den Deutschen umgeht. Herr Kunz versprach mir die Werkstatt zu
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