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Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Autoren: Steve Hamilton
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er auf mich zu, wobei er die rauchende Schüssel vor sich her trug.
    »Was passiert jetzt?« fragte ich Vinnie im Flüsterton. Aber der Medizinmann antwortete mir.
    »Wir nennen das Räuchern«, sagte er. Als er mir die Schüssel vor das Herz hielt, umhüllte der Rauch meinen Kopf und füllte mir dann die Lunge, als ich ihn einatmete. »Es ist Shkodawabuk oder Salbei«, sagte er. »Es ist eine unserer vier Medizinen. Tabak kommt aus dem Osten, Zeder aus dem Süden, Mannagras aus dem Norden und Salbei aus dem Westen.«
    Ich schloß die Augen und lauschte seinen Worten. Zum erstenmal seit vielen Tagen wurde mir warm. Ein wenig jedenfalls.
    »Heute brauchen wir Salbei, denn Salbei ist die Medizin der Reinigung und der Wiedergeburt. So wie die Sonne im Westen untergeht, der Tag stirbt und nach der Nacht wiedergeboren wird.«
    Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich um mich alle die Männer und Frauen, jung und alt. Sie beobachteten mich mit ruhigen Gesichtern. Dann trug der Medizinmann seine Schüssel zu Vinnie, dann zu dessen Nachbarn, dann weiter, bis er die ganze Runde gemacht hatte.
    Dann kehrte er zu Dorothy zurück und vollzog bei ihr dasselbe Ritual, hüllte sie ein in den Rauch aus der Schüssel. Als er schließlich zu uns allen sprach, war seine Botschaft kurz.
    Wir sind viele Stämme, getrennt durch Grenzen aller Art, aber ein Volk.
    Dorothy Parrish ist zu unserem Volk zurückgekehrt, aber im Grunde hat sie uns nie verlassen, denn wir gehören alle zusammen, und wir alle gehören der Erde.
    Wir heißen sie bei uns willkommen und wünschen ihr Glück auf ihrer Reise.
    Als die Zeremonie vorüber war, traten die Stammesmitglieder eines nach dem anderen zu ihr, reichten ihr die Hand und wünschten ihr Glück. Ich stand als Außenseiter daneben und beobachtete sie.
    Als sie schließlich zu mir herüberblickte, sah ich, wie der Medizinmann auf seine Uhr schaute und ihr etwas zuraunte. Sie nickte, erwiderte etwas und kam dann zu mir.
    »Alex«, sagte sie. »Vielen Dank, daß Sie gekommen sind.«
    »Sie sehen gut aus«, sagte ich.
    »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Sie haben mir so sehr geholfen.«
    »Ich bin froh, daß Sie in Sicherheit sind«, sagte ich.
    »Alles, was Ihnen passiert ist, tut mir leid. Ich habe Sie da nicht reinziehen wollen.«
    »Ich bin sicher, daß Sie das so nicht geplant hatten«, sagte ich.
    »Wissen Sie, sobald ich Sie damals gesehen habe, wußte ich, daß ich Ihnen vertrauen konnte. Ich war so lange gelaufen und wollte einfach anhalten. Ich wußte, daß Sie das Richtige tun würden, egal wie. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
    »Ich glaube schon«, sagte ich. Ich sah mich im Raum um und senkte meine Stimme ein wenig. »Als Sie den Beutel genommen haben …«
    »Ich habe mich noch in der Nacht entscheiden wollen, was ich damit machen würde. Ihn einfach der Polizei geben. Oder ihn Molinov zurückgeben und ihn bitten, wegzugehen und mich in Ruhe zu lassen. Uns alle in Ruhe zu lassen.«
    »Schneid haben Sie, das muß man Ihnen lassen«, sagte ich.
    Sie lächelte. »Haben Sie heute den Mond gesehen?«
    »Ja, das habe ich.«
    »In der Nacht, in der wir uns begegnet sind, war auch Vollmond. Erinnern Sie sich?«
    »Ja«, sagte ich. »Sie haben ihn den Wolfsmond genannt.«
    »Ja«, sagte sie, »der Wolfsmond, unter dem man die beschützen muß, die einem nahe sind.«
    »Wie heißt dieser jetzt?«
    »Das ist der Eismond«, sagte sie. »Da ruht man aus und wartet, daß es wieder warm wird.«
    »Klingt nach meiner Sorte Mond.«
    »Ich sollte jetzt gehen«, sagte sie. »Ich hoffe, ich sehe Sie eines Tages wieder.«
    »Wo gehen Sie hin?«
    »Ich weiß es noch nicht«, sagte sie. »In ein Reservat irgendwo. Hier in Kanada. Ich möchte irgendwo sein, wo ich für eine Weile Frieden finden kann.«
    »Ich wünsche Ihnen, daß Sie ihn finden.«
    »Das werde ich. Jetzt, wo ich meine Familie wiederhabe.«
    »Übrigens, Sie haben mir nie Ihren Ojibwa-Namen verraten.«
    »Der ist Waubun-anung«, sagte sie. »Das heißt Morgenstern.«
    »Das ist ein guter Name«, sagte ich.
    »Vielen Dank.«
    »Paß auf dich auf, Morgenstern.«
    Sie gab mir einen Kuß auf die Wange und ging dann mit dem Medizinmann weg.
    Vinnie und ich traten in die Nacht hinaus. Ohne ein Wort zu sagen, stiegen wir in den Wagen. Wieder fuhren wir durch Soo Canada, über die Brücke, durch Soo Michigan und dann nach Westen Richtung Paradise. Das einzige Geräusch im Wagen war das stetige Summen der Heizung. »Ich habe daran
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