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Unsichtbar und trotzdem da - 02 - Unter der Stadt

Unsichtbar und trotzdem da - 02 - Unter der Stadt

Titel: Unsichtbar und trotzdem da - 02 - Unter der Stadt
Autoren: Boris Pfeiffer
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Schule gemusst hätte, und rief ein Taxi.
    Draußen war es immer noch dunkel.
    Zum Glück fragte kein Berliner Taxifahrer einen Jungen aus einer reichen Berliner Gegend wie dem Grunewald, warum er in aller Herrgottsfrühe mit einem Affen auf der Schulter nach Kreuzberg fuhr. Der Fahrer sah Addi nur griesgrämig an, murmelte etwas von ihn würde wohl der Affe lausen und das Vieh hätte hoffentlich keine Flöhe, und schwieg dann für den Rest der Fahrt durch die leeren Straßen.
    In der Schönleinstraße stieg Addi aus und stellte sich unter eine Straßenlaterne an der Ecke. An die Hauswand vor ihm war eine riesige Oma in einem rot gepunkteten Kleid gemalt, die einen Presslufthammer in den Händen hielt. Sie war ungefähr vier Mal so groß wie Addi und Addi starrte sie an wie einen Geist.
    „Passt gut zu dir, die Monsteroma“, kicherte es hinter ihm.
    Addi fuhr herum. Es war Jenny, die sich aus der Dunkelheit schälte. Sie trug einen Trainingsanzug, auf dessen Schulter eine riesige Spinne aufgedruckt war.
    „Wow, du siehst ja cool aus. War es schwer für dich, so früh aus der Wohnung zu kommen?“, fragte er sie zur Begrüßung.
    Jenny schüttelte den Kopf. Ihre Augen leuchteten hellwach. „Ich bin daran gewöhnt, früh aufzustehen. Ich habe einfach noch kurz was gefrühstückt und für meine Mutter den Tisch gedeckt. So machen wir das immer, wenn sie Spätdienst hat. Für sie sieht also alles normal aus. Und dann bin ich mit dem Bus gekommen. Ich habe mir die Monatskarte um den Hals gehängt und bin dicht hinter einer Frau hergelaufen. Der Fahrer hat gedacht, dass ich zu ihr gehöre.“
    „Super“, brummte Addi. Er löste sich von der Hauswand mit der Presslufthammer-Oma und blickte die Straße hinunter. „Ob Ağan es schafft? Es ist gleich Viertel vor vier. Wir müssen runter in die U-Bahn.“
    Jenny spähte ebenfalls um die Ecke. „Seine Schwester wollte jedenfalls gestern seinen Eltern erklären, warum er so spät kommt und dass alles in Ordnung ist. Die ist okay.“
    Addi nickte.
    „Ich hätte auch gerne so eine Schwester“, fügte Jenny hinzu.
    „’ne Bullenschwester?“ Addi überlegte. „Ich weiß nicht.“ Dann grinste er. „Gestern mit dem Streifenwagen durch die Straßen zu fahren, war schon ziemlich cool. Aber wenn Ağan nicht bald kommt, hat uns das auch nicht geholfen.“
    Die beiden blickten wieder den Kottbusser Damm hinab. Dann kniff Jenny ihre blauen Augen zusammen. Ein Stück entfernt kam eine kleine Gestalt über den Bürgersteig gerannt. Oder vielmehr gerollt, denn die Gestalt stand auf einem Skateboard. Sie trug einen dunkelblauen Jogginganzug und hatte einen Rucksack auf dem Rücken.
    „Das ist er!“, jubelte Jenny. „Er hat es geschafft.“
    „Hey, Leute!“ Ağan winkte Jenny und Addi wild zu, als er sie an der Hausecke erblickte. Er sprang von seinem Board und schnallte es auf seinen Rucksack. Auch er sah müde aus, strahlte aber glücklich.
    „Ich habe es geschafft! Und nur wegen meiner Schwester. Sie ist wirklich sehr gut, meine Freunde. Sie hat gestern zu Hause erzählt, dass wir zusammen Schularbeiten gemacht haben und wiesozial sie mich findet, weil ich dir geholfen habe, Addi.“ Er lächelte. „Sie meinte, du würdest etwas wohlstandsverwildert wirken, was auch immer das heißen soll. Aber meine Eltern haben dazu genickt. Und sie hat gesagt, dass Jenny und ich dir offensichtlich auf die Sprünge helfen. Meine Eltern waren ganz stolz auf mich. Und auf dich auch, Addi, obwohl sie dich nicht kennen. Sie haben gesagt, dass du sehr feinsinnig bist, von mir und Jenny Hilfe anzunehmen, dazu wäre nicht jeder deutsche Junge in der Lage.“
    „Ach du grüne Neune!“ Addi sah Ağan mit aufgerissenen Augen an. „Und was hat dein supersoziales Rette-den-Addi-Verhalten damit zu tun, dass du um vier Uhr früh über die Straßen skaten darfst?“
    Ağan hob lächelnd die Hände. „Am Ende der Geduld wartet der Segen, mein Freund. Heute Morgen, als mein Vater zum Taxifahren losging, habe ich ihm erzählt, dass du unbedingt deinem Vater beweisen willst, dass du es alleine schaffst, das Schuljahr ohne Nachhilfe zu bestehen. Und dass ich dir genau deswegen helfe! Ich habe gesagt, dass wir uns heute um fünf wieder in der Schule treffen wollen, um noch ein bisschen zu üben. Und er fand das großartig!“
    „Er hat dir das wirklich geglaubt?“, fragte Addi fassungslos.
    Ağan wurde etwas rot. „Ja, und ich schäme mich, dass ich ihn belogen habe.“ Er schüttelte betrübt den
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