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Unsichtbar und trotzdem da - 02 - Unter der Stadt

Unsichtbar und trotzdem da - 02 - Unter der Stadt

Titel: Unsichtbar und trotzdem da - 02 - Unter der Stadt
Autoren: Boris Pfeiffer
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Lehrer!“
    „Zum Lernen ist keiner zu alt“, sagte Ağan würdevoll.
    Addi sah ihn an. „Ist das wieder so ein Kalifen-Sprichwort?“ Als Ağan nickte, hob er gnädig die Hände und schluckte die Spucke runter. „Okay! Aber dann erzähl auch endlich, was du so Tolles erlebt hast!“
    Ağan fuhr zusammen. Dann sah er sich suchend um.
    „Nicht so laut!“, flüsterte er schließlich. „Man weiß nie, wer einem gerade zuhört. Und es war überhaupt nicht toll, es war absolut unheimlich. Meine U-Bahn ist einfach abgebogen!“
    Jenny zog ihre elfenblauen Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Was soll das denn heißen? Eine U-Bahn biegt nicht ab. Die fährt geradeaus, auf Gleisen.“
    „Meine schon“, entgegnete Ağan langsam. „Sie ist irgendwo abgebogen und plötzlich waren auch noch die Stationen weg.“
    Jenny kicherte. „Du hast doch geträumt!“
    „Das dachte ich auch. Ich saß da und ich dachte, ich träume. Aber die U-Bahn ist abgebogen. Direkt hinter dem Hermannplatz. Und dann waren die Stationen wirklich weg.“
    Jenny zeigte vor sich auf die Gleise. „Also, der Wittenbergplatz ist noch da. Und wir drei sitzen zufällig auch gerade hier. So richtig weg ist er also irgendwie nicht.“
    „Aber meine Stationen waren es“, sagte Ağan beschwörend. „Und zwar alle. Ich bin wie immer Hermannstraße eingestiegen. Und bis zum Hermannplatz war auch alles normal. Jede Station war da. Aber kurz vor der Schönleinstraße ist die U-Bahn plötzlich stehen geblieben! Und dann ist sie rückwärtsgefahren und alles war nur noch dunkel. Und ich war irgendwo, wo ich noch nie war.“
    „Vielleicht ist einfach nur das Licht ausgefallen“, meinte Jenny zweifelnd. „Das passiert manchmal.“
    Ağan schüttelte den Kopf. „Aber deswegen fährt die U-Bahn doch nicht rückwärts. Und außerdem war ich auch der einzige Fahrgast.“
    „Nein!“, rief Addi.
    „Doch“, beteuerte Ağan. „Ich weiß auch nicht, wieso. Ich konnte überhaupt nichts mehr sehen. Außer mir war da nur noch der Tunnel. Ein total langer, dunkler Tunnel.“
    „Und es kam auch keine Ansage?“, wollte Addi wissen, der inzwischen gebannt zuhörte.
    Ağan schüttelte wieder den Kopf.
    „Komisch“, murmelte Addi. „Aber wie bist du denn dann hergekommen, wenn die Stationen weg waren? Ausgestiegen und auf den Gleisen gelaufen?“
    „Quatsch!“, rief Ağan aufgebracht. „Ich bin doch nicht lebensmüde. Da sind Stromschienen, das weiß doch jedes Kind, dass man da nicht langgeht.“
    „Und wie bist du dann rausgekommen aus deiner seltsamen U-Bahn?“, erkundigte sich Jenny.
    „Sie hat angehalten.“
    „Und dann bist du ausgestiegen?“
    „Ja sicher. Ich bleibe doch nicht in einem Geisterzug sitzen.“
    Jenny stöhnte theatralisch. „Dann wird es ja wohl nicht so schlimm gewesen sein. Aussteigen kann man nämlich nur an Bahnhöfen.“
    „Das stimmt nicht“, sagte Ağan. „Es war sogar sehr schlimm. Der Zug fuhr einfach immer weiter und ich saß alleine in diesem dunklen Wagen. Ich glaube, ich hatte einfach sehr, sehr großes Glück, dass ich nicht verschleppt worden bin. Jedenfalls bin ich ihm entkommen.“
    „Wem?“, fragte Addi aufgeregt.
    „Dem Dschinn natürlich!“
    Jenny lächelte schief. „Okay, du bist also mal wieder einem Dschinn entkommen. Ich weiß ja, dass du auf deine arabischen Geister stehst. Diesmal war es dann wohl wahrscheinlich ein U-Bahn-Dschinn. Und wie bist du ihm entkommen, bitteschön?“
    „Ich hatte großes Glück, meine Freunde. Die U-Bahn hat gehalten und direkt neben meiner Tür war eine Eisenleiter an der Wand. Ich habe die Tür aufgezogen und bin rausgeklettert. Und dadrüber war ein offener Gully.“
    Jenny spielte nachdenklich mit ihren blonden Haarspitzen. „Und das sollen wir dir alles glauben?“
    „Genau!“, nickte Ağan. „Ich habe die Tür geöffnet, bin da hoch und auf einer Baustelle rausgekommen. Und von da bin ich weggerannt.“
    „Und auf der Baustelle hat auch keiner gemeckert, dass du da so plötzlich aus dem Gully hüpfst“, höhnte Jenny.
    „Da waren ein paar Bauarbeiter, aber die haben mich nicht gesehen.“
    „Unsichtbar und trotzdem da!“ Addi grinste Jenny an.
    Jenny tippte sich an die Stirn. „Wie soll denn das alles gehen? Warum hat die U-Bahn denn gehalten, wenn da überhaupt kein Bahnhof war? Und wie soll eine U-Bahn von den Gleisen abbiegen? Das klingt doch alles total verrückt.“
    „Weiß ich doch auch nicht!“ Ağan hob die Hände. „Ich bin einfach nur
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