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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar
Autoren: Anja Berger
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erfüllt von Panik. „Damit wirst du nicht durchkommen! Im Tal hat man mein Fehlen bestimmt bemerkt. Es ist sicher schon jemand auf der Suche nach mir! Sie werden bald hier sein, dann kannst du nicht mehr entrinnen. Willst du das? Ist das dein grosses Ziel, nach allem, was du bereits geleistet hast, willst du jetzt im Knast versauern?“
    Er lächelte nur.
    Sie musterte sein Gesicht. Und da begriff sie. Es würde sie niemand retten. Natürlich nicht. Denn auch für diesen Fall hatte er Vorkehrungen getroffen.
    Wer würde zuerst auftauchen? Die Polizei? Ben?
    Ben.
    Unvermittelt schossen Emma die Tränen in die Augen. „Du Monster. Was hast du mit ihm gemacht?“, brüllte sie ihn an.
    „Mit wem? Mit Ben? Den habe ich sozusagen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.“ Er lachte auf. „Er kann dich nicht mehr retten. Keiner kann das. Sie werden kommen, ja. Aber dann wird es zu spät sein. Sie werden nur eine Leiche vorfinden, die an einem Seil baumelt.“ Er riss an ihrer Schulter und sah sie aus irren Augen an. „Deine Leiche.“
    Damit zog er sie unter den Balken.
    Sie wand sich, so gut sie konnte. Rammte ihm den Ellbogen in den Bauch und versuchte seine Weichteile mit dem Knie zu treffen. Aber sie war chancenlos.
    Er legte ihr den Strick um den Hals und zog die Schlaufe fest. „Sag gute Nacht, meine liebe Nichte.“
    Zeit. Sie brauchte noch mehr Zeit. Wie konnte sie ihn erreichen?
    Sie sah, wie er ihr den Rücken zu drehte. Wie er sich entfernte. Wie er zum Auto ging. Emma sah auch, wo das andere Ende des Seiles befestigt war.
    Wenn er im Auto sass, war sie verloren.
    Sein Schwachpunkt war sein Geltungsbedürfnis. Seine Waffe war sein Verstand.
    Genau.
    „Hey!“, brüllte sie ihm nach. „Warum hast du mich nicht früher geholt? Warum hast du mich nicht schon getötet, als ich ein wehrloses, kleines Kind war? Mein netter Onkel war wohl zu clever für dich?“
    Es machte den Anschein, dass er sie ignorierte. Wahrscheinlich durchschaute er ihren billigen Versuch, Zeit zu schinden.
    Er ging unbeirrt weiter und öffnete die Fahrertür.
    Doch dann hielt er inne. Langsam drehte er sich um.
    „Du willst mich ärgern, um Zeit zu gewinnen. Netter Versuch.“
    Verflucht.
    „Lass dir dennoch gesagt sein, dass mein Bruder nicht so schlau war, wie er dachte. Ich wusste von Anfang an, dass dieser Autounfall nicht echt war. Ich fand nie heraus, woher er die Leichen hatte, die im Wrack verbrannten, aber das spielte auch keine Rolle. Ich habe ihn gesucht. Ich habe euch gesucht. Viele Jahre lang. Aber schlussendlich wurde ich fündig. Nämlich als er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Martin hatte Krebs, weisst du? Diese hässliche Seuche frass ihn von innen auf. Gestorben wäre er sowieso. Den Zeitpunkt wählte aber lieber ich.“
    Dieses dämliche, triumphierende Grinsen. Ein Gefühl von Hass begann Emmas Panik allmählich zu überschatten.
    „Ach ja? Einen wehrlosen Menschen zu ermorden ist äusserst lobenswert, muss ich schon sagen.“
    „Spotte du nur. Du wirst mir das Gefühl, das ich damals hatte, nicht schlecht reden können.“
    „Behalte deine perverse Art von Glücksgefühlen. Sag mir lieber, wie du mich gefunden hast.“
    „Das erledigte mein Bruder für mich. Überglücklich mich wiederzuhaben schöpfte Martin keinen Verdacht. Er erzählte mir alles. Dass er dich wegbrachte, um dich vor dem Fluch zu retten. Dass er dich in einer guten Familie untergebracht hatte, dass er deinen Eltern einen Brief mitgab, den sie dir geben sollten, dass du den Brief erhalten hast. Ja, er hatte ein Auge auf dich. Sein ganzes Leben lang. Gezeigt hat er sich nie, aus Angst dich in Gefahr zu bringen. Was für ein Pech, dass er das gerade mir erzählte. Erst, als er mich fragte, wie ich aus dem Haus entkommen war und ich ihm antwortete, dass ich nicht drin war, weil ich eine Sprengung vornehmen musste, da dämmerte es ihm. Aber da war es schon zu spät. Ich erstickte ihn ganz banal mit einem Kissen, nahm seine Identität an, knüpfte Kontakt zu dir und da sind wir nun.“ Er genoss seine Rolle. Er grinste, wie eine Katze, die eine Maus gefangen hatte. „Und jetzt werde ich dich töten.“
    „Und Rosaria? Wie hast du sie dazu bekommen, alles mitzumachen?“
    „Geld. Zum Kotzen einfach. Aber wirkungsvoll.“
    Er drehte sich weg, setzte sich in sein Auto.
    Emma dachte nach. Doch ihr fiel nichts mehr ein.
    Er schlug die Tür zu. Und startete den Motor.
    Das war’s.
    Innerlich gab sie auf. Da nahm sie eine Bewegung unter dem
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