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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar
Autoren: Anja Berger
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Ihr Blick wechselte vom Auto auf den Balken. Sie konnte gerade noch beobachten, wie das Holz splitterte.
    Da fiel sie auch schon zu Boden.
    Die Zugkraft des Fahrzeuges war einfach zu gross gewesen.
    Die Holzkonstruktion, die dem Feuer getrotzt hatte, jahrelang Wind und Wetter widerstand, brach schliesslich in sich zusammen, als wären die massiven Balken nur Streichhölzer.
    Das Gebälk stürzte in Richtung des Abhangs.
    Was das für die Schlinge um ihren Hals bedeutete, darüber wollte sie nicht nachdenken.
    Noch nicht.
    Geistesgegenwärtig rollte sie sich in die andere Richtung, als das Gehölz stürzte. Soweit es das Seil um ihren Hals zuliess. Dann kauerte sie sich zusammen. Sie schloss die Augen und wartete. Sie wartete, bis das Seil sich straffte, sie mitreissen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Schliesslich wagte sie einen Blick.
    Sie sah in Richtung des Abhangs und traute ihren Augen nicht.
     
    Ben schaute zu Antonius. Sein Oberkörper war auf die Beifahrerseite gekippt.
    Er rührte sich nicht mehr. Wahrscheinlich bewusstlos.
    Ben griff nach dem Lenkrad.
    Gas gab Antonius nun nicht mehr. Aber einmal ins Rollen gebracht, würde der schwere Pickup auf dem abschüssigen Gelände zunehmend an Geschwindigkeit gewinnen.
    Sich in dem rumpelnden Fahrzeug vernünftig zu bewegen, war ein nervenaufreibendes Unterfangen. Irgendwie schaffte es Ben, einen Fuss auf die Bremse zu setzen. Er trat das Pedal durch und riss gleichzeitig das Lenkrad herum.
    Der Wagen schleuderte in die entgegengesetzte Richtung.
    Er steuerte nicht mehr auf den Wald zu. Sondern auf einen Teil des steinernen Fundaments.
    Darüber würde das Auto nicht einfach hinwegfahren.
    Es würde direkt hineinkrachen. Und zwar in der nächsten Sekunde.
    Es gab für Ben nur eins. Und zwar umgehend, sonst würde er zu Brei zerquetscht.
    Irgendwie schaffte es Ben sich rückwärts zu bewegen.
    Im nächsten Moment spürte er Erde unter seinem Rücken. Die Welt drehte sich, dann stand sie still.
    Neben seinem Kopf krachte es.
    Ben hatte aber nicht mehr die Kraft, nachzusehen.
    Er schloss einfach die Augen.
    Pause. Nur eine kurze Pause.
     
    Emma beobachtete, wie das Auto die Richtung änderte. Sie fürchtete schon, Antonius hätte gewonnen und beschlossen, sie zu überfahren. Aber der Wagen kam nicht auf sie zu. Stattdessen schleuderte er direkt neben ihr auf den steinernen Sockel des einstigen Hauses zu.
    Ein schwarzer Körper fiel aus dem Auto und verschwand hinter der Karosse aus Emmas Blickfeld.
    Gleich darauf krachte der Wagen mit voller Wucht gegen die Mauerreste.
    Dann rührte sich nichts mehr.
    Es war unheimlich, wie still auf einmal alles war.
    Nur noch das Summen der Scheinwerfer, die sinnlos die graue Mauer beleuchteten, war zu hören.
    Der Motor des Wagens war abgestorben.
    Sie konnte kaum fassen, dass sie noch auf demselben Fleck Erde lag und nicht wehrlos durch die Gegend geschleift worden war.
    Er hatte sie gerettet. Davon war sie felsenfest überzeugt. Aber wo war er?
    Panik stieg in Emma auf.
    Ben?
    „Ben!“, schrie sie aus voller Kehle. Immer und immer wieder wiederholte sie seinen Namen, obwohl ihre Stimme dieser Tortur kaum standhalten konnte.
    Emma rappelte sich auf. Sie stolperte zum Auto.
    Weit kam sie nicht. Das Seil um ihren Hals strafte sich und zwang sie mit einem Ruck zum Stehen. Der schwere Balken hatte das andere Seilende eingeklemmt.
    Dieses verdammte Seil!
    Dabei wollte sie doch nach Ben sehen. Er musste ganz in der Nähe sein. Und dennoch konnte sie nicht zu ihm gelangen.
    Sie konnte ihn nicht verlieren. Sie durfte ihn nicht verlieren.
    Sirenen hallten durch den Wald.
    Hilfe nahte. Endlich.
    Dennoch hörte sie nicht auf, nach Ben zu rufen.
    Da.
    War das nicht eine Bewegung?
    Angestrengt schaute sie in die Dunkelheit.
    Tatsächlich.
    Im Schatten hinter dem Auto bewegte sich etwas.
    Ben? Oder Antonius?
    War es möglich, dass es noch nicht ausgestanden war? Emma schauderte bei dem Gedanken. Instinktiv wich sie zurück.
    Eine Hand legt sich auf den Rand der Ladefläche. Ein schwarzer Arm folgte. Eine genauso schwarze Schulter. Ein hellbrauner Haarschopf.
    Das war zu viel. Die Erleichterung überflutete Emma. Tränen traten ihr in die Augen.
    Sie liess sich auf die Knie fallen.
    Ben wankte zur Fahrerkabine. Seinen verletzten Arm hielt er schützend vor seine schmerzende Brust. Jede Bewegung tat höllisch weh.
    Er sah nach Antonius.
    Ein hässlicher Anblick. Eingequetscht zwischen Sitz und Armaturenbrett.
    Der Kopf war kaum mehr
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