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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar
Autoren: Anja Berger
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Ende band er zu einem Henkersknoten. Das andere behielt er in der Hand, während er zum Pickup zurückkehrte. Dort band er das zweite Ende um den Abschlepphaken.
    Voller Vorfreude widmete er sich anschliessend seinem Opfer.
    Während er sie voller Abscheu betrachtete, dachte er an seinen grandiosen Einfall zurück. So zu tun, als hätte er sich an der Kleinen vergangen, war einfach sensationell gewesen. Ihr Beschützer hatte sich genauso verhalten, wie gehofft. In blinder Wut war er gedankenlos losgeprescht. Und direkt in die Falle gegangen.
    Dabei hatte er überhaupt kein Interesse an Sex. Befriedigung, ja. Aber Sex? Das war zu wenig. Zu menschlich. Zu banal.
    Er schnaubte zufrieden.
    Da regte sich das gefesselte Bündel. Ein leises Stöhnen war zu vernehmen.
    Sie wachte auf.
    Genau rechtzeitig.
    „Guten Abend, Schlafmütze. Hast du süss geträumt?“, fragte er lakonisch.
    Emma zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen.
    Martin.
    „Ich werde dir jetzt erklären, was ich als nächstes tue. Aber vorher weise ich dich darauf hin, dass du dich nicht zu wehren brauchst. Es bringt nichts. Ich werde dir gleich den Jutesack vom Kopf nehmen, damit ich dir in die Augen sehen kann, während dir Schritt für Schritt die Erkenntnis darüber kommt, was mit dir geschehen wird.“
    Das war es. Genau dieses erhabene Gefühl der Macht. Das war erregend. Nicht dieser triebgesteuerte Austausch von Körperflüssigkeiten.
    Sie dabei zu beobachten, wie die Angst anschwoll und sie sich dann darin verlor. Zu sehen, wie sie zuerst noch glaubte, sie könnte sich retten. Zu beobachten, wie sie dann nach und nach bemerkte, dass es keinen Ausweg gab. Sich daran weiden, wie zuerst ihr Kampfgeist erlosch, dann ihr Leben. Das war Befriedigung.
    Er konnte es kaum noch erwarten. Er zog ein Messer aus dem Schaft seines Stiefels und schnitt das Seil, mit dem er den Sack um ihren Hals befestigt hatte, auf.
    Er riss ihr den Sack vom Kopf. Und sah ihr in die Augen.
    Verstört blinzelte sie. Sie war vollkommen orientierungslos. Ausgeliefert. Schutzlos.
    Einfach herrlich.
    Erwartungsvoll stand er da und sah ihr zu. Geduldig wartete er, bis sie seinen Blick endlich erwiderte.

Strang 1 /Kapitel 40
     
    Emmas Sinne wurden von Reizen überflutet. Die Arme waren eingeschlafen. Sie wollte sie nach vorne nehmen. Aber sie scheiterte. Ihre Handgelenke stiessen gegen einen Metallring.
    Handschellen?
    Auch die Beine waren zusammengebunden. Die Kehle war trocken. Der Kopf schmerzte unaussprechlich. Dann noch diese Stimme in ihrem Ohr. Der stickige Sack, der auf einmal von ihrem Kopf gezerrt wurde. Das Licht, das sich dadurch veränderte. Das Atmen, das ihr plötzlich leichter fiel.
    Und immer noch diese Stimme.
    Neben den Schmerzen entdeckte sie noch ein anderes Gefühl. Taubheit.
    Sie versuchte sich zu erinnern. Was war geschehen? Sie hatte auf der Veranda gestanden. Er war aus dem Nichts aufgetaucht, hatte sie niedergeschlagen und jetzt war sie hier.
    Die Veranda.
    Als sie rausgegangen war, hatte sie sich nichts übergezogen. Sie trug weder an den Füssen noch am Oberkörper etwas, das sie vor der Kälte geschützt hätte.
    Kälte. Das war es also. Die Taubheit kam, weil sie fror.
    Aber warum war sie auf die Veranda gegangen?
    Sie hob den Kopf. Ihr Blick klärte sich. Sie sah ihm direkt in die Augen.
    Martin.
    Da wusste sie es wieder. Das tote Kind, die einzig Überlebende.
    Welche Ironie.
    Und sie sollte dieses Kind sein. Die verlorene Tochter.
    Jetzt lag sie da. Ausgeliefert. Auge in Auge mit ihrem Mörder.
    Sie wollte etwas sagen, konnte es aber nicht. Nur würgende Laute presste sie hervor.
    Ihr Mund war geknebelt.
    Er lächelte sie an.
    Dümmlich. Schleimig.
    Er hob die Hand und führte sie zu ihrem Mund.
    Sie wollte sich wehren. Sie begann wild zu zappeln.
    „Nana, wer wird denn hier störrisch sein? Ich will dir doch nur den Knebel entfernen.“
    Er nahm ihr das Tuch ab. Beinahe fürsorglich.
    „Du verfluchtes Schwein!“, war das erste, was Emma über die Lippen kam. Ihre Kehle war ausgetrocknet. Die Worte klangen heiser.
    Er lächelte unbeirrt weiter. „Das wird ja lustiger, als ich dachte.“ Er packte sie an den Haaren und zwang sie, sich aufzurichten. „Den gleichen Willen und dasselbe Temperament wie deine Mutter. Jammerschade, dass ich dich töten muss.“
    Ihre Mutter. Emma geriet aus dem Gleichgewicht.
    War er ihr letzter lebender Verwandter?
    Bei dem Gedanken wurde ihr übel.
    „Wer bist du? Warum das alles?“, brachte sie schliesslich
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