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Verfuhrt auf dem Maskenball

Verfuhrt auf dem Maskenball

Titel: Verfuhrt auf dem Maskenball
Autoren: Joyce Brenda
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Prolog
    Ein Prinz und Held
    Ihre Mutter stand direkt hinter ihr und sprach so laut, dass Lizzie unglücklicherweise jedes ihrer Worte mit anhören musste. Sie beugte sich tiefer über das Buch und versuchte, sich auf den Text zu konzentrieren. Aber das gelang ihr nicht, denn sie wurde beobachtet. Das kleine Mädchen errötete heftig.
    „Ja, sie ist anders als die anderen, aber nur, weil sie schüchtern ist. Natürlich denkt sie sich nichts dabei. Und sie ist doch erst zehn! Ganz bestimmt wird sie in ein paar Jahren genauso entzückend sein wie meine liebe Anna. Anna ist doch wirklich eine Schönheit, nicht wahr? Und Georgina May, meine Älteste, ist schon so vernünftig. Immer geht sie mir bei allem zur Hand“, erklärte Mama. „Und wie pflichtbewusst sie ist!“
    „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Sie das schaffen mit drei Töchtern, die im Alter so nahe beieinander sind“, erklärte die Dame, mit der Mama plauderte. Sie war die Schwester des Pfarrers und zu einem kurzen Besuch aus Cork angereist. „Aber Sie haben Glück. Anna wird sicher eine gute Partie machen, wenn sie das entsprechende Alter erreicht hat, bei so viel Schönheit können Sie ganz unbesorgt sein. Und bei Georgina May sehe ich durchaus noch Möglichkeiten. Ich könnte mir vorstellen, dass aus ihr eine sehr anziehende Frau wird.“
    „Oh, davon bin ich überzeugt!“, rief Mama, als würden sich ihre Wünsche erfüllen, wenn sie nur fest genug daran glaubte. „Und ganz bestimmt wird sich auch Lizzie noch herausmachen. Den Babyspeck wird sie bald ablegen, glauben Sie nicht auch?“
    Einen Augenblick lang herrschte Stille. „Nun, gewiss wird sie schlanker werden, vorausgesetzt, sie lässt die Finger von Süßigkeiten. Aber falls sie sich zu einem Blaustrumpf entwickelt, wird es Ihnen schwerfallen, für sie einen passenden Ehemann zu finden“, meinte die Schwester des Pfarrers. „Ich würde sie lieber im Auge behalten. Ist sie nicht noch etwas zu jung für Bücher?“
    Lizzie gab den Versuch auf, etwas lesen zu wollen. Sie presste ihr kostbares Buch an sich und hoffte, dass Mama nicht herüberkam, um es ihr wegzunehmen. Inzwischen glühten ihre Wangen vor Verlegenheit, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sich das Gespräch einem anderen Thema zuwandte. Aber dann schlenderten Mama und die Schwester des Pfarrers zurück zu den übrigen Erwachsenen, und Lizzie seufzte erleichtert auf.
    Vielleicht bot ein sommerliches Picknick am See einfach nicht die richtige Gelegenheit zum Lesen. Eine große Gesellschaft war hier zusammengekommen, zu der ihre Familie gehörte, die nächsten Nachbarn sowie der Pfarrer mit seiner Familie. Sieben Erwachsene waren dabei und sechs Kinder, sie selbst eingeschlossen. Gerade jetzt spielten ihre Schwestern mit den Freunden Piraten. Rufe und Gelächter störten die Stille dieses beschaulichen Juninachmittags. Lizzie warf einen flüchtigen Blick auf die Szenerie. Anna spielte die Rolle der Jungfer in Not und tat so, als weine sie über irgendetwas. Der älteste Sohn des Pfarrers versuchte, sie zu trösten, während der jüngere Sohn und der Nachbarjunge mit Stöcken bewaffnet auf die beiden zuschlichen – offensichtlich waren sie die Piraten. Georgie lag am Boden, als Opfer irgendeines schrecklichen Ereignisses.
    Niemand hatte Lizzie zum Mitspielen aufgefordert, und sie hätte es auch nicht gewollt. Seit sie die ersten Worte entziffern konnte, war sie vom Lesen fasziniert gewesen. Vor sechs Monaten war das Wunder geschehen, dass sie einen Satz ansehen und darin einen Sinn erkennen konnte. Schnell war das Lesen zu ihrem Lebensinhalt und ihrer Leidenschaft geworden. Dabei war es ihr egal, was sie las, obwohl sie Geschichten mit kühnen Helden und schluchzenden Heldinnen am liebsten hatte. Gerade hatte sie sich einen der Romane von Sir Walter Scott vorgenommen. Dass er ihn für Erwachsene geschrieben hatte und sie für eine einzige Seite mindestens eine Stunde brauchte, war ihr vollkommen egal.
    Erneut sah Lizzie sich um und stellte fest, dass sie ganz allein war. Die Erwachsenen hatten sich auf Decken niedergelassen und öffneten gerade ihre Picknickkörbe. Die Schwestern spielten noch immer mit den Jungen. Gespannt vor Erwartung schlug sie ihr Buch auf.
    Aber ehe sie den Absatz, bei dem sie vorhin aufgehört hatte, noch einmal lesen konnte, kam eine Gruppe von Reitern ans Ufer getrabt, gut ein Dutzend Schritte von ihrem Sitzplatz entfernt. Sie hörte jungenhafte, übermütige Stimmen, und als Lizzie
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