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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar
Autoren: Anja Berger
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ausgebrannt. Nur bei genauem Hinsehen konnte man erkennen, dass es sich bei den verkohlten Überresten nicht nur um Fahrzeugteile handelte. Es gab einen kleinen und einen grossen Körper, kaum mehr zu unterscheiden von den Wrackteilen.

Strang 1 / Kapitel 1
     
    „Und hier haben wir das zweite Schlafzimmer mit direktem Zugang zum geräumigen und modernen Badezimmer auf der einen Seite und dem Ankleidezimmer auf der anderen.“ Emma machte eine kurze Pause, um die Räume auf die potentiellen Käufer wirken zu lassen. Sie wusste genau, an welchen Stellen sie solche kleinen Kunstpausen einzusetzen hatte, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen. Genauso wie sie wusste, wann sie die Räume besser schnell wieder wechselte, bevor die Interessenten zu genau hinschauten. Solche Überraschungen gab es in dieser Liegenschaft zum Glück keine. Hier konnte sich jeder umschauen, solange er wollte. Es gab keine Leichen im Keller. Das schlug sich allerdings auf den Preis nieder. Und genau daran scheiterte der Verkauf bislang immer. 
    „Wann haben Sie gesagt, ist dieses Haus renoviert worden?“ 
    „1998 wurde es runderneurt. Man hat das Haus komplett ausgeweidet und anschliessend neu ausgestattet. Sehen Sie hier“, Emma durchquerte den Raum und kam am anderen Ende zu stehen. Dort schob sie eine Vorhangbahn leicht zur Seite, um die dahinter verborgenen Schalter zu erreichen. Sie drückte auf die Taste und die Vorhänge glitten wie von Geisterhand zur Seite. Bodenlange Fenster erstreckten sich über die gesamte Breite des Raumes und gaben den Blick auf den grünen Rasen und das blau schimmernde Schwimmbecken frei. Die gesamte Grünfläche war eingesäumt mit Pflanzbeeten. Derzeit strahlte ein Meer aus roten Tulpen und gelben Gartenhyazinthen um die Wette. Emma kippte ganz beiläufig eines der Fenster. Sofort strömte der süssliche Geruch der Hyazinthen in den Raum. „Ist der Ausblick nicht herrlich?“ 
    Das Ehepaar Adler, eine Frau mit kugelrundem Babybauch, ansonsten langen, schlanken Gliedern, einem feinen schmalen Gesicht und langem braunen Haar und der Mann, an den Schläfen bereits leicht ergraut, gross und stattlich, traten ebenfalls an die lange Fensterfront. Zufrieden registrierte Emma, wie sich der Gesichtsausdruck der Ehefrau entspannte, die Falten auf der Stirn sich glätteten. Sie gab ihre Straffe Haltung auf und legte ganz selbstverständlich die Hand auf ihren Bauch. In kreisenden Bewegungen streichelte sie zärtlich ihr Ungeborenes, während sie tief einatmete und verträumt in den Garten schaute. 
    Volltreffer. 
    „Schatz, was meinst du?“ Ungerührt von dem Ausblick und dem betörenden Geruch wandte sich Herr Adler seiner Frau zu. 
    Musste er das im Ernst noch fragen? Sah er denn nicht den verträumten Ausdruck in den Augen seiner Gattin? 
    Frau Adler war scheinbar in einer ganz anderen Welt. Sicher sah sie da draussen nicht den perfekten grünen ungenutzten Rasen. Sondern ein Klettergerüst und eine rote Schaukel, auf der ein Kind immer höher und höher zu schwingen versuchte, während sie selbst mit einem grossen Sonnenhut in der Erde der Rabatten kniete. Zumindest war dies das Bild, das Emma sich ausmalte, während sie Kathrin Adler beobachtete. Versuchsweise wollte Emma an diesen Gedanken anknüpfen. Lag sie falsch, hatte sie zumindest nichts verloren. 
    „Im Sommer wird die ganze gegenüberliegende Wand dicht bewachsen sein mit wundervoll blühenden Clematis und Kletterrosen. Sicherlich ist Ihnen auch das Spalier vorne am Eingang aufgefallen. Dort ist derzeit noch nichts gepflanzt, aber ich könnte mir vorstellen, dass ein Bogen aus Kletterrosen sich hervorragend machen würde. Oder wie wäre es mit wildem Wein? Er ist es doch, der sich im Herbst so wundervoll leuchtend bunt verfärbt, oder nicht?“ 
    Emma spürte den verächtlichen Blick des potentiellen zukünftigen Hausherrn auf ihr ruhen. 
    Und wieder: Volltreffer. 
    Kathrin Adler konnte die Hand in der Erde bereits spüren. „Liebling, ich will dieses Haus.“ Sie drehte sich zu ihrem Mann um, fasste ihn an den Händen und sah ihn aus diesen sanften braunen Augen an. Selbst Emma schmolz dahin, obwohl der Blick nicht ihr galt. Er musste einfach anbeissen. 
    Den Blick noch etwas intensiver fügte Frau Adler an: „Es ist einfach zauberhaft! Dieses Zimmer, dieser Ausblick, dieses wundervolle Badezimmer mit der freistehenden Wanne und den süssen Löwenfüssen. Ich weiss, dass dir dieser Schnickschnack nichts sagt, aber bedenke, nicht
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