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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar
Autoren: Anja Berger
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darüber hinweg. Einverstanden?“ 
    Es war nur eine Vermutung gewesen. Ein Mann, der sich in der teuren Gegend herumtrieb und von sich behauptete, dort gelebt zu haben, müsste sich eigentlich auch mit den Verhaltensregeln von etwas besser Verdienenden auskennen. Nach seinem Kommentar zu urteilen, schien ihre Einschätzung zu stimmen. „Danke! Nun, Martin, war das vorhin deine Frau am Telefon?“ 
    „Nein. Meine liebe Ingrid wacht seit geraumer Zeit von einem schöneren Ort über uns.“ 
    „Oh. Tut mir leid.“ Betroffen sah Emma weiter auf die Strasse. 
    „Mach dir keine Gedanken. Sie fehlt mir zwar noch manchmal und ich ertappe mich oft dabei, wie ich mir überlege, was sie denn denken würde, wäre sie noch hier, aber das ist weniger traurig, als es sich anhört. Im Gegenteil, so habe ich das Gefühl, sie immer bei mir zu haben.“ 
    „Das klingt sehr schön.“ 
    „Und du? Bist du verheiratet?“ 
    „Ich?“ Emma schnaubte belustigt. „Nein. Es gibt da zwar einen Mann, aber heiraten kommt für ihn nicht mehr in Frage.“ 
    „Er war also schon mal verheiratet?“ 
    „Schon zweimal. Beide Male am Kinderwunsch gescheitert.“ 
    „Sie wollte welche, er nicht?“ 
    „Umgekehrt.“ 
    Erstaunt hob Martin die rechte Augenbraue. „Das ist aber eher ungewöhnlich. Und du, willst du ihm denn diesen Wunsch erfüllen?“ 
    Emma zögerte kurz. Es war seltsam, wie sie, die normalerweise vorsichtig mit persönlichen Informationen umging, keinerlei Bedenken hatte, mit diesem fast völlig Fremden einfach von der Leber weg zu plaudern. „Nein.“ 
    Sie spürte deutlich, wie sich Martins Haltung veränderte. Er schien ehrlich interessiert. 
    „Ich, wie soll ich sagen, ich denke, seine Exfrauen haben ihm dem Kinderwunsch nicht aus Egoismus verwehrt. Er verdient gutes Geld, kann zuvorkommend, charmant und witzig sein. Er kann eine gute, solide Zukunft bieten. Aber er ist auch zu sehr von sich selbst eingenommen. Ich bin mir nicht sicher, ob das Kind in seinem Schatten nicht wie eine Sonnenblume ohne Sonne eingehen würde.“ 
    „Hat er einen Hund?“ 
    „Wie bitte?“ 
    „Ein Hund. Ein Hund fordert Verantwortung, Zuneigung und Liebe. Dann schenkt er Treue. Bei einem Kind ist es doch irgendwie ähnlich. Hat er also einen Hund, der in jede Ecke pinkelt, beisst und bellt, wenn’s nichts zu bellen gibt, kann man sich vielleicht eine Vorstellung davon machen, wie ein Wesen werden würde, das noch mehr eigenen Charakter und Willenskraft mitbringt.“ 
    Emma konnte nicht anders, sie musste einfach von Herzen lachen. „Nicht übel. Aber beginnt man einen Kindertauglichkeitstest dann nicht besser mit einer Zimmerpflanze, arbeitet sich hoch zum Hamster und holt sich dann einen Hund?“ 
    „Gute Taktik. Hat er schon Pflanzen, die er selbst pflegt? Wenn nicht, dann schenk ihm eine.“ 
    „Das werd’ ich. So, wir sind da.“ Emma setzte den Blinker und stellte ihren Mini souverän seitwärts in eine Parklücke am Strassenrand. Sie kam nicht umhin aus ihrem Schiebedachfenster heraus das alte, aber wundervoll restaurierte Haus zu bewundern, vor dem sie parkten. „Hier wohnst du?“ Die Frage kam ehrfurchtsvoller über ihre Lippen, als sie gewollt hatte. 
    „So ist es.“ Martin bemerkte ihr Interesse an dem Gebäude sofort. Wohlwollend betrachtete er ihr Gesicht und die leuchtenden Augen, während sie die Fassade musterte. „Vielleicht möchtest du auch sehen, was hinter der Fassade steckt?“ 
    Welch lebensverändernde Bedeutung diese Frage hatte, konnte Emma nicht annähernd ahnen. 
    Sie konnte überhaupt nicht nein sagen. Das weisse Haus mit den blauen Fensterläden, schmiedeisernen, elegant geschwungenen Balkonen und dem grossen schweren Holztor sah einfach zu verlockend aus. Also stellte Emma den Motor aus und folgte Martin. Behände stiess er einen Flügel des grossen Tors auf und trat in eine atemberaubend dekorierte Einfahrt. Die Wände wechselten sich in einer Abfolge von Mauern und schmalen Säulen ab. Die Mauern selbst zierten kunstvolle Malereien, während die hellen Marmorsäulen die schlichte weisse Decke auf kunstvoll verzierten Füssen trugen. Emma konnte kaum glauben, was sie sah. Sicher, hinter vielen schlichten Fassaden alter, aber gut gepflegter Häuser verbargen sich solche Schätze. Sie blieben in der Regel aber den Augen der meisten Menschen verborgen. 
    „Mein Gott, Martin! Das ist wunderschön!“ 
    „Hoffentlich, schliesslich war die Aufbereitung dieser Durchfahrt,
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