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Dunkler Spiegel

Titel: Dunkler Spiegel
Autoren: Diane Duane
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    E s gibt einige Regionen im All, in denen das ewig optimistische menschliche Herz sich einfach nicht heimisch fühlt. An diesen äußeren Rändern der Galaxis, zu denen die Menschheit gerade erst vorstößt, wird die Milchstraße, die überall sonst zwischen den bewohnten Planeten in so üppigem, strahlendem Ausmaß strömt und wogt, immer dünner, kalt und blaß. Hier leuchtet das Sternenlicht nur unbestimmt und schwach – die Millionen Lichtpunkte in der Nähe der Welten im Herz der Galaxis werden von der gewaltigen Entfernung gedämpft, und die Wolken dunkler Materie zwischen den Sternen kühlen zu einem verschwommenen Nebel ab, der kaum auszumachen ist, außer, man wendet den Blick von ihm ab. Normalerweise fällt dies dem Betrachter jedoch schwer. Bei diesem Anblick denkt er unwillkürlich daran, wie klein selbst eine Galaxis in der Unendlichkeit des Universums, wie winzig sogar die Lokale Gruppe im Vergleich zu der Dunkelheit ist, die sie umgibt, und zu all den anderen galaktischen Clustern und Supergalaxien. Und diese Finsternis enthielt über die Grenzen bloßer räumlicher Integrität hinaus wahrscheinlich noch zahllose andere vollständige Universen, die sich alle in die größte Dunkelheit überhaupt einordneten – die der Entropie, die auf jeglicher Existenz lastet.
    In diesen Einöden des Alls gibt es nur wenige und weit voneinander entfernte Oasen. In einer halben Million Kubikparsec findet man vielleicht einen Stern, dem es gelungen war, in dieser Unfruchtbarkeit Planeten hervorzubringen. Doch aufgrund der entmutigenden Entfernungen um sie herum findet man trotzdem lediglich Leere, und als Hintergrund nur einen schwachen Lichtschimmer, der die Zentralgestirne der besiedelten Welten erkennen läßt. Angesichts solcher Gegensätze wirkt jenes Licht fast düster und zeugt von seiner Vergänglichkeit und Neuheit in einem Universum, das seit unbekannter Zeit mit einer unaussprechlichen Dunkelheit schwanger ging und das Licht bis zu jenem ersten großen Gelächter in sich ungeboren hielt, dem Ausbruch neu entstandener Macht und Materie in das alte gedankenreiche Nichts.
    Weit hier oben, über dem großen Galaktischen Riff, wirkt dieses Licht fast dürftig – eine Dunkelheit, die nicht aus Staub oder Entfernung, sondern aus dem schlichten Nichts geboren war. Nur wenige intelligente Wesen kommen hierher: Beobachter sind seltener als Sterne. Aber dann und wann durchbricht etwas die Kargheit der dunklen Wüste. Ein ferner Glanz, ein silberner Schimmer, der größer wird und näher kommt; wie eine Erinnerung, die in einem dunklen Verstand gesucht und plötzlich gefunden wird. Sollte der Beobachter so vernünftig sein, sich nicht nur auf schwerfälliges Licht zu verlassen, um etwas wahrzunehmen und Nachrichten zu übertragen – sondern vielleicht auf Tachyonen –, würde er sehen, wie es größer wird und an ihm vorbeirast, mit einem Spritzer Rot auf der Backbord- und einem Spritzer Grün auf der Steuerbordseite und den Buchstaben NCC 1701-D matt auf der Hülle. Dann ist diese Erinnerung wieder im Dunkeln verschwunden, hinterläßt nur eine Regenbogenspur hinter sich, die schnell verblaßt, den Rückstand eines Warpfelds. Der einsame Gesandte der Vielgestaltigkeit aller Welten, gerade erst hier und schon wieder fort, aus der Dunkelheit in die Dunkelheit: die Enterprise geht ihren Geschäften nach.

    In seinem Quartier trat Jean-Luc Picard von der Leinwand zurück und schaute kurz zur Seite auf das vorbeiziehende Dunkel. Er konnte sie fast spüren, die Dichte der Dunkelheit: ihre seltsame, leere, aber irgendwie schwere und bedrückende Eigenschaft, so weit entfernt vom Licht und Leben der dichter besiedelten Teile der Föderation. Sie waren weit draußen in den Randgebieten der Galaxis, und die relative Leere der Dinge ließ ihn frösteln. Bei solchen Gelegenheiten wandten seine Gedanken sich in eine andere Richtung, anderen Vorstellungen zu: wärmeren, etwas zuversichtlicheren – wenngleich ein jeder in dieser Dunkelheit ein anderes Ausmaß an Beruhigung brauchte. Picard kannte sich selbst so gut, daß er solche Gefühle nicht ignorierte, für wie unbegründet auch immer er sie vielleicht hielt. Bei solchen Gelegenheiten dachte er gern an sein Zuhause: an den heimischen Herd sozusagen.
    Er drehte sich wieder zur Leinwand um. Normalerweise versuchte er sich nicht an Landschaftsmotiven, und ganz bestimmt nicht aus der Erinnerung heraus. Doch gerade, weil ihm das plötzlich klargeworden war, hatte er es
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