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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar
Autoren: Anja Berger
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entschuldige den Ausdruck, schweineteuer.“ 
    Jetzt blieb Emma der Mund offen stehen. „Willst du damit sagen, das hier ist original?“ 
    „Zumindest einiges. Es war eine Schande, was man daraus gemacht hatte. Die Säulen lagen hinter dunklem Gips verborgen, die Gemälde waren einfarbig übermalt worden. Die Einfahrt sah aus wie der Durchgang zu einer Geisterbahn. Fehlten nur noch die Geister. Als die Renovationsarbeiten begannen, stiess man rein zufällig darauf, was hinter der hässlichen Fassade lag, also entschied man, die alten Strukturen wieder hervorzuzaubern. Was nicht mehr zu retten war, wurde nach dem Muster vom Geretteten neu gemalt und gemeisselt. Eine enorme Arbeit sag ich dir. Aber ich denke, es hat sich gelohnt.“ 
    „Da denkst du verdammt richtig. Es ist einfach… Dafür gibt es keine Worte.“ 
    Emma konnte sich keine Vorstellung davon machen, wie sehr sich Martin über ihre Begeisterung freute. Dieses Werk, und damit war nicht nur die Einfahrt, sondern das gesamte Gebäude gemeint, erfüllte ihn mit Stolz, denn er war dafür verantwortlich, was daraus geworden war. Unter seiner leitenden Hand war entstanden, was man heute zu sehen bekam. Nur gab es so wenige, mit denen er diese tiefe Freude teilen konnte. Bis jetzt. 
    „Wenn du diese Einfahrt schon beeindruckend findest, will ich doch wissen, wie du auf den Rest des Hauses reagierst.“ 
    „Augenblick, du hast doch gesagt, du wohnst jetzt in einer Wohnung?“ 
    „Sicher. Aber schliesst das aus, dass das Haus mir gehört?“ 
    Emma dachte kurz darüber nach. „Nein, das tut es wohl nicht.“ 
    Sie kam nicht zum Staunen heraus. Die Einfahrt wurde durch ein weiteres Tor von einem grossen Innenhof getrennt, der über und über mit Pflanzen bewachsen war. Umrahmt wurde der Hof von den einzelnen Trakten des Wohnhauses, die früher als Unterkünfte für die Bediensteten gedient hatten und heute zu Wohnungen ausgebaut worden waren. Emma folgte Martin durch eine Tür in einen der Seitenflügel. Dort befand sich ebenfalls ein Wunder der Neuzeit. Der Lift transportierte die beiden zügig in den zweiten Stock des Gebäudes. Die Tür des Fahrstuhls glitt beinahe lautlos auf. Martin wandte sich von Emma ab und wollte ihr voraus die Kabine verlassen. Zu spät bemerkte er die Person, die den Ausgang versperrte. Er prallte geradewegs gegen sie. Erschrocken blickte er auf. Da die Person einige Zentimeter grösser war als er selbst, musste er den Kopf weit in den Nacken legen, um seinem Gegenüber ins Gesicht sehen zu können. 
    „Mensch, Rosaria! Was stehst du denn hier rum! Hast du denn nicht gesehen, dass der Lift in Betrieb ist und jemand kommt?“ 
    Rosaria, eine stämmige Frau mit strengem Gesicht und dunklen, im Nacken zu einem Knoten gebundenen Haaren stand eindrucksvoll vor der Lifttür und sah zu dem halb so breiten Martin hinunter. In ihren dunkelbraunen Augen flackerte Wut. Nein. Nicht Wut. Eher Zorn. Genaugenommen war diese nicht besonders attraktive und irgendwie beängstigende Frau fuchsteufelswild. Mit einem Akzent, der Emma an östliche Länder erinnerte, polterte sie los. „Martin, wo hast du dich schon wieder herumgetrieben? Du bist zu spät. Das Essen ist kalt und die Medikamente hättest du vor einer Stunde nehmen sollen. Und wo hast du diese Frau aufgelesen? Kennst du überhaupt ihren Namen? Was sucht sie hier?“ 
    Emma, von der Schelte ziemlich beeindruckt, fühlte sich wie ein ungehorsames Kind. Obwohl sie Martin nur zurückgebracht hatte und eigentlich die Gute in dieser Szene war, bekam sie auf einmal Schuldgefühle. Martin hingegen schien wenig eingeschüchtert. 
    „Rosaria, jetzt spiel dich mal nicht so auf. Das ist Emma. Sie hat mich nach Hause gefahren. Meine Medikamente nehme ich sofort und das Essen kannst du mir gerne aufwärmen.“ Damit drückte er sich an Rosaria vorbei und deutete Emma mit einer unauffälligen Handbewegung an, ihm zu folgen. Mit grossen Augen schob sie sich an diesem Baum von Frau vorbei, in der Hoffnung, nicht am Kragen zurückgezogen zu werden. Doch nichts dergleichen geschah. 
    „Bitte entschuldige. Meine liebe Rosaria sorgt sich um mich, wie um ihren eigenen Sohn. Sie behütet mich wie eine Glucke.“ 
    Der Weg führte Emma durch eine marmorne, im Schachbrettmuster ausgelegte Halle, zu deren Linken und Rechten überdimensionierte Türen in einzelne Räume führten, deren Optik Emma nur zu sehr interessiert hätten. Danach zu fragen, schien ihr aber reichlich anmassend, handelte es
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