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Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze
Autoren: Werner Schrader
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Besuch zu erwarten
     
    „Faulheit und Trunksucht sind die schlimmsten Laster dieser Welt“, knurrte Tina Marwedel böse, „und daß du, Jan Tabak, mit beiden geschlagen bist, ist das Unglück meines Lebens. Hundertmal habe ich dir schon gesagt, du sollst das Dach reparieren. Aber was tust du? Du sitzt in den Kneipen herum und besuchst deine Freunde! Wenn der Regen noch eine Stunde anhält, können wir hier im Zimmer Boot fahren.“
    Ärgerlich schob sie den letzten leeren Waschmitteleimer, der im Hause noch zu finden war, unter die vierte Tropfstelle in der Decke. „Das eine verspreche ich dir“, fuhr sie fort, „wenn du in den nächsten Tagen nicht aufs Dach steigst, verkaufe ich den Hund und laß für das Geld, das er einbringt, die Handwerker kommen.“
    „Dummes Zeug“, entgegnete Jan Tabak, ohne von der Wümme-Zeitung aufzublicken. „Lady läßt sich nicht verkaufen. Sie würde noch von Hamburg nach hier zurückfinden, und zwar zu Fuß und ganz ohne Landkarte.“
    „Pah!“ höhnte seine Frau. „Wenn Lady ihre fünfundachtzig Kilo eine halbe Stunde lang vorwärtsbewegt hat, japst sie nach Luft und bleibt liegen wie ein Stein. Sobald die einmal aus dem Haus ist, bist du sie los.“
    Lady, die riesige Bernhardinerhündin, lag vor Jans Lehnstuhl wie ein erschossener Löwe. Ihr großer Kopf ruhte zwischen den ausgestreckten Vorderpfoten auf dem indischen Filzteppich. Sie brummte behaglich, weil Jan Tabak sie als Fußbank benutzte und seine in dicken Wollsocken steckenden Füße auf ihrem Rücken hin und her schob. Tinas böse Worte berührten sie überhaupt nicht. Über die herunterhängenden Augenlider hinweg guckte sie auf die Wasserflecke an der Decke und lauschte müde auf das einschläfernde Plip-plop der fallenden Tropfen.
    Jan blätterte die Zeitung um.
    „Es gibt nichts Behaglicheres“, grunzte er, „als eine warme Stube, wenn es draußen regnet.“
    Tina wischte sich einen dicken Tropfen aus dem Nacken.
    „Warte nur, bis du mit den Füßen im Wasser stehst“, schimpfte sie, „dann wird es aus sein mit der Behaglichkeit! Da ist schon wieder eine neue Leckstelle!“
    Jan blickte flüchtig von der Zeitung auf.
    „Ich weiß gar nicht, warum dich das bißchen Wasser so beunruhigt“, sagte er. „Der Fußboden hat doch Gefälle. Das läuft alles durch die Tür auf den Hof. Koch uns eine Kanne Tee und setz dich hin! Du fällst mir auf die Nerven, wenn du dauernd wie ein aufgescheuchtes Huhn durch das Zimmer rennst.“
    „Jan Tabak“, knurrte Tina, „nächste Woche kommen die Wurzachers. Was denken die denn, wo sie sind, wenn ihnen hier in der guten Stube das Wasser auf den Kopf klatscht!“
    „Bis nächste Woche ist noch viel Zeit“, entgegnete Jan ungerührt. „Was dann sein wird, soll uns heute noch keine grauen Haare machen. Und außerdem haben Kinder bestimmt Spaß an so einer ausgefallenen Dusche.“
    „Das ist keine Dusche, das ist ein kaputtes Dach! Und in Häuser mit kaputten Dächern sollte man keine Gäste einladen!“
    „Eingeladen haben wir sie auch nicht“, sagte Jan ruhig. „Sie kommen ganz von selbst. Wenn es ihnen bei uns nicht gefällt, können sie gleich wieder abziehen. Ich bin sowieso neugierig, ob sie sich hier wohlfühlen werden.“
    „Sei nicht so unfreundlich, Jan, schließlich bist du der Großonkel der beiden Kinder und mußt ihnen für ein Jahr den Vater ersetzen.“
    „Dazu habe ich mich ja auch bereit erklärt“, erwiderte Jan, indem er die Zeitung umblätterte, „und ich glaube nicht, daß es viel Kraft kosten wird. Die Väter, die ich so kenne, machen das alle ohne jede Anstrengung.“
    „Du kennst eben nur die Versager unter den Vätern“, bemerkte Tina bissig, „die mit dir in den Kneipen sitzen. Ein guter Vater hat keine Zeit dafür, der tummelt sich von morgens bis abends und ist seinen Kindern ein gutes Vorbild. Das ist nämlich die beste Erziehung, Jan Tabak, Vorbild sein! Wenn der Vater ein Lump ist, kann aus seinen Kindern auch nichts anderes werden, da helfen keine Ermahnungen und guten Worte.“
    „Na, ein Lump bin ich ja Gott sei Dank nicht“, sagte Jan gleichgültig. „Aber ein Trinker, Jan Tabak!“
    „Nun halt aber die Luft an, Tina! Du hast ja keine Ahnung, was ein richtiger Trinker so verkonsumiert. Fidi Trenthoop, das war einer. Mann, hatte der einen Zug! Beneidenswert!“
    Tina winkte ärgerlich ab.
    „Hör auf! Solche Leute bewundert man nicht, vor denen spuckt man aus. Hast du dir überhaupt schon mal Gedanken gemacht, wie
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