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Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Titel: Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte
Autoren: Mojtaba Milad; Sadinam Masoud; Sadinam Sadinam
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ich in sein zweites, erwachsenes Gesicht, das sonst unter der Oberfläche lauerte.
    »Masoud, besorg du mal genügend Nägel. Milad und ich suchen die Werkzeuge zusammen, die wir brauchen.«
    »Großer Zufall, wirklich! Die Mistarbeit fällt wieder mir zu. Ich muss zuerst aufs Klo!«, und schon war er verschwunden.
    Milad und ich schauten uns um und trugen alles zusammen, was uns hilfreich erschien: einen Hammer, eine handliche Säge, verschiedene Schraubenzieher, eine Flach- und Spitzzange, Holzfeilen, Schleifpapier und ein Lineal. Wir legten alles ordentlich auf den Arbeitstisch und der Anblick stimmte mich noch optimistischer.
    »Milad, stellt dir vor, in ein paar Tagen rasen wir mit unseren eigenen Tschar-tscharche über den Hof!«
    »Wir werden aber nicht so schnell sein. Wir müssen uns doch mit den Füßen vorwärtsschieben.«
    »Ich kann’s trotzdem kaum abwarten. Außerdem, stell dir mal vor, wenn wir hier rauskommen und dann in Ekbatan rumfahren. Die werden Augen machen. Keiner hat so etwas, nur langweilige Fahrräder, die alle gleich aussehen.«
    »Wenn Farroch will, dann bauen wir ihm auch eine. Das wird ihm gefallen!«
    Ich klopfte ihm auf die Schulter, griff nach der Säge und streckte sie bedeutungsvoll in die Höhe. Es war das Startsignal für den Bau der Tschar-tscharche !
    » Batscheha , geht heute ohne mich!«, sagte Madar und begann den Küchentisch abzuräumen.
    »Aber heute haben wir besonders viel!«, antwortete ich und zeigte auf den Beutel, in dem ich Nun churde  – Brotkrümel – vom Frühstück gesammelt hatte.
    Seitdem wir vor einigen Tagen angefangen hatten, die Tschar-tscharche zu bauen, gestaltete sich unser Tagesablauf sehr ähnlich: Morgens frühstückten wir gemeinsam mit Madar. Dann ging es raus auf den Hof, wo die Spatzen schon auf die Nun churde warteten. Als hätte sich die Nachricht in den letzten Tagen verbreitet, sammelten sich täglich mehr Spatzen auf dem Hof. Wenn wir mit dem Füttern fertig waren, verschwanden wir drei in der Werkstatt, die wir bis zur Schlafenszeit nur noch zum Essen oder für Toilettenbesuche verließen. Doch heute stimmte etwas nicht. Madar war schon beim Frühstück sehr still gewesen und hatte kaum etwas gegessen. Und jetzt wollte sie nicht mit auf den Hof kommen.
    Es war ein brütend heißer Tag, und draußen herrschte der erwartete Trubel. Es wimmelte von landenden und wegfliegenden Spatzen. Masoud fütterte sie schon und während einige Vögel jeden Krümel sofort aufpickten, der ihnen vor den Schnabel fiel, schnappten sich andere die Krumen und flogen davon. Wie dumm, hatte ich am ersten Tag noch gedacht. Aber mittlerweile waren wir drei davon überzeugt, dass sie irgendwo hungrige Küken zu ernähren hatten.
    Das Schauspiel auf dem Hof hatte noch nicht aufgehört, da spritzte es Wasser von hinten: Es war Milad, der sich den Gartenschlauch geschnappt hatte. Er presste seinen Daumen auf die Schlauchöffnung, sodass das Wasser in Form eines kräftigen Strahls herausschoss, den er dann auf uns richtete. Mit einem großen Satz zur Seite wich ich der Fontäne aus, aber er ging nicht leer aus, sondern erwischte Masoud.
    »Milad, du bist verrückt geworden!«, polterte er und strich sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht. »Glaubst du, du kommst einfach so davon? Ich krieg dich schon.«
    Milad presste die Lippen aufeinander und bereitete sich auf einen zweiten Angriff vor.
    »Geh du von links, ich komme von rechts!«, rief ich.
    Masoud nickte und lief los. Milad, der unseren Plan durchschaut hatte, ging einige Schritte zurück und stellte sich auf die Treppe, die zur Haustür führte. Er hatte Übung in diesem Spiel, denn an heißen Tagen in Schahmirzad war das seine Lieblingsbeschäftigung.
    Er fixierte mich und zuckte mit dem Schlauch in meine Richtung, aber der Strahl war zu weit oben angesetzt. »Masoud, los, los, los!«, brüllte ich.
    Milad drehte sich zu Masoud um, zielte und traf ihn diesmal mitten auf den Bauch. Das war meine Chance. Er war abgelenkt und ich musste jetzt zuschlagen. Ich rannte los und überlegte mir schon, mit welcher Hand ich nach dem Schlauch und mit welcher nach Milads Arm greifen würde, doch es fehlten noch zwei oder drei Schritte, da kehrte er sich fast hämisch grinsend um und erwischte mich im Gesicht. Ich war lahmgelegt und er spritzte mich schonungslos von oben bis unten nass. Sein Grinsen hatte sich mittlerweile zu einem lautstarken Lachen verwandelt. Schließlich gestand ich meine Niederlage und lachte
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