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Nightside 9 - Wieder einmal Weltenbrand

Nightside 9 - Wieder einmal Weltenbrand

Titel: Nightside 9 - Wieder einmal Weltenbrand
Autoren: Simon R. Green
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    Retrovoodoo und der Geist des Dorian Gray
    Man kommt nicht wegen der guten Gesellschaft ins Strangefellows . Man geht in die älteste Bar der Welt nicht wegen Karaokenächten, belangloser Ratespielchen oder Themenabenden und definitiv nicht wegen der Happy Hour. Man kommt auch nicht wegen des Essens her – das ist nämlich scheußlich –, und noch viel weniger wegen der Atmosphäre, die noch um einiges scheußlicher ist. Man geht ins Strangefellows , um zu trinken, mit finsterer Miene vor sich hin zu grübeln und seine Rache an einer gleichgültigen Welt zu planen. Man kommt auch her, weil man sonst nirgends mehr hereingelassen wird. In der ältesten Bar der Welt gibt es kaum Regeln und noch viel weniger Standards, außer vielleicht „kümmere dich um deinen eigenen Dreck.“
    In jener Nacht saß ich mit meiner Geschäftspartnerin und Geliebten Suzie Shooter in einem Séparée ganz hinten in der Bar. Ich spielte mit einem Glas Wermutbranntwein herum, während Suzie Bombay Sapphire direkt aus der Flasche trank. Wir versuchten, nach einem Fall, der für alle Beteiligten nicht besonders gut ausgegangen war, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Wir sprachen nicht. Das tun wir ohnehin kaum; wir halten es nicht für notwendig. In der Gesellschaft des jeweils anderen sind wir entspannt.
    Mein weißer Trenchcoat stand in Bereitschaftsposition neben dem Tisch. Ich habe schon immer an Mäntel geglaubt, die auf sich selbst aufpassen können. Die Leute machten einen weiten Bogen um den Mantel, vor allem, als ich nebenbei bemerkte, dass ich ihn schon geraume Zeit nicht mehr gefüttert hatte. Der Trenchcoat ist meine einzige echte Manieriertheit; ich bin einfach der Meinung, ein Privatdetektiv sollte auch wie einer aussehen, und während Leute sich von dem Klischee blenden ließen, bemerkten sie zumeist nicht, wie ich sie in den Schatten stellte. Ich bin groß, finster und sehe aus einiger Entfernung eigentlich ganz passabel aus, und egal wie verzweifelt die Lage sein mag, ich werde niemals Scheidungsfälle übernehmen.
    Suzie Shooter, auch bekannt als Flintensuzie, trug ihr übliches schwarzes Motorradlederoutfit, komplett mit Stahlnieten und zwei Patronengurten über ihrer beeindruckenden Oberweite. Sie hat langes, blondes Haar, ein attraktives Gesicht mit vorstehenden Knochen und den kältesten Blick der Welt. Meine persönliche schwarze Lederwalküre. Sie ist Kopfgeldjägerin, falls Sie das noch nicht erraten haben.
    Wir waren jung, verliebt und hatten gerade eine Menge Leute umgelegt. Das kommt schon mal vor.
    Das Strangefellows war in dieser Nacht ziemlich voll … in der Nacht, als er in die Nightside kam. Wir dachten, es sei eine Nacht wie jede andere, und die Bude platzte aus allen Nähten. Roger Millers „King of the Road“ hämmerte aus verborgenen Lautsprechern, und dreizehn Bandenmitglieder des Stammes der schwulen Barbaren tanzten Polonaise dazu. Selbstverständlich mit Breitschwertern in Scheiden, fransenbesetzten Lederbeinschützern und Kopfschmuck aus Straußenfedern. Zwei verschrumpelte orientalische Beschwörer in langen, fließenden Roben veranstalteten einen Hahnenkampf mit ihren winzigen Schoßdrachen, und es hatten sich bereits Zuschauer gefunden, die Wetten eingingen. (Auch wenn ich Gerüchte gehört hatte, nur die Drachen seien real; die Beschwörer seien bloß Illusionen, die die Drachen erschufen, damit sie sich unbelästigt in der Öffentlichkeit zeigen konnten.) Ein halbes Dutzend Ghulinnen auf einem Junggesellinnenabschied wurde nach einer Flasche „Mutters Ruin“ fröhlich, laut und rauflustig und verlangte nach einem weiteren Pappeimer mit Damenfingern. Wahrscheinlich hilft es, ein Ghul zu sein, wenn man vorhat, die Imbisse im Strangefellows zu probieren. Ein junger Mann weinte leise in sein Bier, da er sein Herz seiner wahren Liebe geschenkt hatte; sie hatte es in ein Einweckglas gesteckt und dem nächstbesten Zauberer für ein Paar Manolo Blahniks verkauft.
    In einem abgelegenen Teil der Bar flackerte eine Versammlung Flaugeister um einen Tisch, der überhaupt nicht da war. Flaugeister – die verschwommenen Umrisse von Männern und Frauen, die sich zu weit von ihren Heimatwelten entfernt und sich verirrt hatten. Nun trieben sie durch die Dimensionen, von einer Welt zur nächsten, von einer Realität zur anderen, und versuchten verzweifelt, den Heimweg nach Hause zu finden. Mit jedem Fehlschlag schwanden sie ein bisschen mehr. Viele von ihnen verschlug es ins Strangefellows , wo
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