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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe
Autoren: Gisbert Haefs
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falls Ihrer Frau etwas zustößt. Vielleicht haben Sie sich mit Ihrer Frau nicht in relativer Eintracht getrennt. Vielleicht wollte Ihre Frau das auf ihren Namen laufende Vermögen nicht teilen. Vielleicht hatten Sie, Herr Goldberg« – Ziegler sprach nun sehr laut und zufrieden –, »ein sehr gutes Motiv, Ihre Frau umzubringen und, warum nicht, den Liebhaber gleich mit.« Er beugte sich vor und brüllte: »Wo waren Sie heute früh?«
    »Hab ich Ihnen doch schon gesagt, Mister.«
    Ziegler blickte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Sie haben mir gesagt, daß Sie kurz nach sechs Ihren Großvater verlassen hätten. Angenommen, es stimmt. Ich kenne die Gegend, in der der alte Herr lebt, nicht so genau, aber ich schätze, daß Sie von da aus in etwas mehr als einer halben Stunde, sagen wir, in einer dreiviertel Stunde, in Bonn sein können. Das wäre gegen sieben. Sie kamen aber erst gegen halb neun vor dem Haus an. Wo waren Sie in der Zwischenzeit?«
    »Ich ... ich bin durch die Gegend gefahren.«
    »So«, sagte Ziegler höhnisch, »durch die Gegend gefahren? Welche Gegend denn bitte?«
    »Ich weiß nicht. Ich hab irgendwo getankt, aber nicht auf Ortsnamen geachtet.«
    Ziegler lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie geben also zu, daß Sie gegen sieben Uhr in Bonn gewesen sind?«
    »Nichts. Ich war kurz vor halb neun in Bonn.«
    »Stimmen Sie denn meiner Rechnung zu, daß Sie gegen sieben in Bonn hätten sein können?«
    Widerwillig räumte Andreas das ein.
    Ziegler zog eine Grimasse. »Gegen acht Uhr kam ein dringender Anruf für Herrn Naumann im Anwaltsbüro an. Eine der Sekretärinnen versuchte, das Gespräch in die Wohnung durchzustellen. Keiner ging an den Apparat. Darauf bat sie Herrn Curtius, den Kompagnon, mit einem im Büro vorhandenen Zweitschlüssel zu Naumanns Wohnung zu laufen und Herrn Naumann dringend an den Apparat zu holen. Curtius tat das. Er und Naumann sind alte Freunde, und Curtius hatte Zutritt zur Naumannschen Wohnung, sogar wenn dort, hm, Damen anwesend waren. Um fünf Minuten nach acht Uhr öffnete Curtius die Wohnungstür und rief. Als er keine Antwort erhielt, ging er ins Schlafzimmer. Dort fand er Herrn Naumann und Ihre Frau im Bett vor, erschossen. Die Obduktion ist noch nicht abgeschlossen, aber der Arzt ist sicher, daß der Tod in beiden Fällen zwischen sieben und halb acht eintrat. Beide Körper waren noch nicht erkaltet.« Ziegler legte den Bleistift auf Andreas an. »Sie, Goldberg, haben ein Motiv: Eifersucht. Und ein zweites: Geld. Sie erben, da die Ehe formell noch gilt, die Boutique samt Inventar, alle Papiere und sonstigen Vermögenswerte. Außerdem fallen Ihnen aus der Lebensversicherung Ihrer Frau hundertfünfzigtausend Mark zu. Sie können nicht entkräften, daß Sie nicht zur Tatzeit hätten am Tatort sein können. Den Beweis werden wir noch erbringen. – Wir werden Sie, mit Ihrem Einverständnis oder ohne dieses, ein Weilchen hierbehalten. Ich nehme an, daß die Ausstellung eines Haftbefehls wegen dringenden Tatverdachts keine Schwierigkeiten machen wird. Sie sind verdächtigt, zwei Personen, die Ihnen bekannt sind, ermordet zu haben. Wenn Sie Glück haben, können Sie sich auf Totschlag im Affekt oder so etwas rausreden. Vielleicht ist Ihre Pistole ja einfach losgegangen, heh? Die meisten Pistolen gehen ja ganz einfach los. Ich kenne kaum einen, der absichtlich schießt, heh? – Wollen Sie uns das Verfahren nicht erleichtern und einfach gestehen? Sie haben doch keine Chance!«
    Andreas holte tief Luft. »Nun machen Sie mal nen Punkt«, sagte er energisch. »Ich habe – hatte nichts gegen Robert, bin froh, daß ich nach ewigem Krach endlich nicht mehr mit meiner Frau zusammenleben muß, finanziell geht es mir so schlecht nun auch wieder nicht. Ich habe also keinen Grund, so was zu unternehmen. Ich bin erst um halb neun an Ihrem ›Tatort‹ angekommen, als die beiden, wie Sie sagen, längst tot waren. Ich habe kein Motiv, war zur fraglichen Zeit woanders, und ich besitze keine Pistole. Was soll also dieser ganze Unfug?«
    Ziegler betrachtete ihn freundlich. »Das«, sagte er langsam, »werden wir noch rauskriegen. – Was die Pistole angeht: Lieber Mann, wissen Sie, wie viele gestohlene oder nicht gemeldete Pistolen und Revolver in der Bundesrepublik im Umlauf sind und wie wenige von den Leuten, die sie besitzen, einen Waffenschein haben? Es wäre zwar schön, wenn wir die Tatwaffe vorzeigen könnten, aber trotz allem: Sie haben ein Motiv,
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