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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe
Autoren: Gisbert Haefs
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auch wenn Sie es leugnen. Sie hatten die Gelegenheit, denn Sie können nicht nachweisen, daß Sie zur Tatzeit nicht in Bonn waren. Für einen Haftbefehl reicht das allemal.«
    Andreas zündete sich eine weitere Zigarette an. Seine Finger zitterten. Er inhalierte tief und verschluckte sich. Hustend sagte er: »Okay, selbst wenn alles so wäre, selbst wenn Sie recht hätten – erklären Sie mir doch mal, wieso ich denn nach Ihrer Meinung um halb neun wieder zu dem Haus zurückgehen soll, in dem ich angeblich eine Stunde vorher zwei Leute umgebracht habe? Meinen Sie nicht, ich rechne damit, daß man sie inzwischen gefunden hat? Und laufe trotzdem einfach so Ihren Schupos in die Arme?«
    »Herr Goldberg – Sie mußten damit rechnen, daß Ihre Verabredung mit Ihrer Frau einigen anderen Leuten bekannt war, zum Beispiel, um nur eine zu nennen, der Verkäuferin – wie heißt sie gleich? Sylvia Cordes. Also mußten Sie diese Verabredung einhalten. Übrigens sehr geschickt von Ihnen, weil das zunächst einmal für Ihre Unschuld zu sprechen scheint.«
    Andreas hob die Hände. »Sie haben sich das offenbar fest in den Kopf gesetzt. Was kann ich tun, um Sie zu überzeugen?«
    Ziegler lächelte. »Wenig, schätze ich. Motiv, Gelegenheit und Nutzen, alles ist da. Sie können einen Anwalt hinzuziehen.«
    »Na schön, zunächst bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig. Was haben Sie jetzt mit mir vor?«
    Ziegler sah auf die Uhr. »Ich werde Sie gleich bitten, mit mir eine kleine Fahrt zu unternehmen, und zwar zu Ihrer Wohnung. Wir würden uns da gern ein bißchen umsehen. Zum Richter müssen wir auch noch, außerdem ist zu klären, was mit Ihrem Wagen geschieht, den Sie am Tatort abgestellt haben.«
    Andreas murmelte in einem Anflug von Sarkasmus: »Ich habe gegen halb neun die Parkscheibe eingestellt. Ab halb elf bin ich Freiwild für die Politessen. Ich hoffe. Sie werden mir im Fall eines Parkprotokolls ein glaubhaftes Alibi verschaffen.«
    Ziegler grinste. »Mal sehen.«
    »Ich müßte ein paar Telefonate führen, wenn das möglich ist.«
    Ziegler betrachtete ihn mißtrauisch. »Sie brauchen niemanden zu beauftragen, Spuren zu verwischen, etwa in Ihrer Wohnung. Wir haben sie zwar noch nicht geöffnet, aber sie steht unter Bewachung.«
    »Das habe ich mir gedacht. Im übrigen habe ich nichts zu verwischen. Sie vergessen: Ich habe nichts getan. Wenn Sie mir mißtrauen, können Sie ja die Telefonate erledigen. Ich sage Ihnen, wen Sie anrufen und was Sie sagen sollen, und Sie können es selbst formulieren. Vielleicht bin ich ja James Bond und verwende Geheimcodes bei meinen Botschaften.«
    »Gut. Wen soll ich anrufen?«
    »Ich möchte gern, daß jemand meinen Großvater informiert. Dann muß ich – es ist eigentlich ohnehin zu spät, aber Höflichkeit schadet nie – meinen Termin bei der Bank absagen.«
    Ziegler nickte und notierte sich die Nummer. Nach dem kurzen Gespräch mit der Bank – Ziegler war diskret; er teilte lediglich mit, daß Herr Goldberg wegen des tragischen Todes seiner Frau zur Zeit unabkömmlich sei – wandte er sich wieder an Andreas.
    »Ihren Großvater werden wir persönlich informieren. Was soll mit Ihrem Wagen geschehen, und wer ist jetzt für den Laden Ihrer Frau zuständig?«
    »Ach, du liebe Zeit, das auch noch. Na ja, sagen Sie am besten dem Mädchen, sie soll so weitermachen wie bisher. Irgendwann in den nächsten Tagen würde sich jemand drum kümmern.«
    Danach nannte Andreas eine Telefonnummer.
    Ziegler blickte mißtrauisch auf. »Die Nummer kommt mir bekannt vor. Ist das nicht ...« Er nannte den Namen einer Lokalzeitung.
    Andreas nickte. »Ich bin mit einem der Redakteure befreundet. Morungen heißt er, Moritz von.«
    Ziegler stöhnte. »Nein, muß das sein? Ein lästiger Mensch mit unmöglichen Bekannten.«
    »Sollten Sie mich meinen?«
    »Was wollen Sie denn von ihm?«
    »Fragen, ob er mir einen brauchbaren Anwalt empfehlen kann, sonst nichts. Sie brauchen ihm ja nichts zu sagen.«
    Dieser Donnerstag war lang und unangenehm. Als Andreas sich in dem kargen Einzelzimmer, das die Justizadministration für ihn freundlich bereitstellte, auf die Pritsche bettete, war er beinahe froh, zunächst einmal nichts tun zu können noch zu müssen. Schlafen, vielleicht träumen, dachte er, und es kam ihm vor wie ein Zitat. Er vermißte Poe. Der Rabe hatte den größten Teil des Tages in der Obhut einer Polizeisekretärin verbracht, die sich sichtlich vor ihm ekelte und deren Antipathie er mit mehreren
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