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Und manche liebe Schatten steigen auf

Und manche liebe Schatten steigen auf

Titel: Und manche liebe Schatten steigen auf
Autoren: Carl Reinecke
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beigetragen haben, dass er schon bei unserem ersten Begegnen auf einer Soirée bei dem Leipziger Musikverleger Friedrich Hofmeister sich gegen mich sehr gütig und sogar gesprächig zeigte. Wenn ich im März 1844 darüber an meinen Vater, wie folgt, berichtete: „Robert Schumann, welcher sonst sehr still ist, war ausnahmsweise gesprächig und forderte mich auf, ihn zu besuchen, er erkundigte sich auch nach Dir,“ so bezeugen diese, im frischesten Eindruck geschriebenen wenigen Worte gewiss am besten, dass mich meine Erinnerung an jenen Abend nicht trügt. Ein Ereignis für mich war es selbstverständlich, dass ich in den ersten Tagen des Januar 1846 Gelegenheit fand, ihm sein Quartett für Klavier und Streichinstrumente op.47, sowie das oben schon erwähnte Quintett vorzuspielen und seine Anerkennung zu erwerben, die er mir in einem Briefe vom 22.Januar in gütigster Weise ausdrückte. Der Anlass dazu war eine Matinée, die der Cellist Andreas Grabau, welcher damals mit Recht als der beste Vertreter seines Instrumentes in Leipzig galt, zu Ehren Schumanns in seinen Wohnräumen veranstaltete, und an der sich als Mitwirkende ferner der später als Violinvirtuose oft genannte Otto von Königslöw, der als musikalischer Schriftsteller und speziell als Biograph Schumanns rühmlichst bekannte J.W.v.Wasielewski und endlich der nachmalige Direktor des Conservatoriums in Stockholm, Albert Rubenson, beteiligten. - Nie habe ich den Vorzug gehabt, mit Schumann an einem Orte zu leben, aber von Leipzig aus durfte ich ihn in Dresden öfters besuchen, und als er später als wohlbestallter Musikdirektor in Düsseldorf lebte, wohnte ich in dem noch weit näheren Köln und konnte mit Leichtigkeit seinen häufigen Einladungen Folge leisten. Freilich können meine Mitteilungen infolge dieses Umstandes nur von vereinzelten Erlebnissen berichten, wie einzelne Mosaiksteinchen, aus denen sich der geneigte Leser kaum im günstigsten Falle ein leidlich getreues Bild des großen Künstlers und gemütvollen Menschen konstruieren kann. Aber auch das kleinste Haar wirft seinen Schatten, wie Goethe sagt, und so darf ich vielleicht hoffen, dass diese locker aneinander gereihten Mitteilungen etwas zur Vervollständigung von Schumanns Bild beitragen können.
     Als ich Schumann im Jahre 1848 in Dresden besuchte, holte er mich ziemlich früh am Morgen aus dem Hotel de Saxe, wo ich abgestiegen war, zu einem Spaziergange ab und brachte mir die soeben erschienene Partitur seiner C-Dur Symphonie mit. Während des Spazierganges sagte er mit Bezug auf dieselbe: „Als ich die Symphonie zu schreiben anfing, war ich krank, aber mit dem Finale habe ich mich gesund geschrieben.“ Wer würde jetzt vermuten, dass diese Symphonie teilweise aus einer krankhaften Stimmung hervorgegangen sein könnte! Es möchte einem fast erscheinen, als ob in mancher komischen Oper aus der jüngsten Vergangenheit weniger Gesundheit stecke als in den ersten drei Sätzen dieser Symphonie. Es zeugt von rührender Bescheidenheit, wenn er mir bald darauf mit Zusendung des D-moll Trios schrieb: „Es sollte mich freuen, wenn manches bei Ihnen anklänge, vom ersten Satz glaube ich es beinahe.“ In demselben Jahre sandte mir Schumann zu Weihnachten ein weiteres Andenken, es war das später so weit verbreitete Album für die Jugend op. 68. Dieses Exemplar (gezeichnet: „An Carl Reinecke mit freundlichem Weihnachtsgruß. Robert Schumann. Dresden, den 23. Dezember 1848“) war gewissermaßen ein Abdruck avant la lettre, denn das Werk wurde erst im Januar 1849 ausgegeben. Doppelt stolz war ich auf diesen Besitz, da mir Schumann schon im Oktober vorher das Manuskript nach Segeberg in Holstein geschickt und mich mit der Vermittlung an die Verlagshandlung Schuberth & Cie. in Hamburg betraut hatte. Acht Tage später kam Schumann nach Leipzig, und dort war es mir vergönnt, mit ihm seine vierhändigen „Bilder aus Osten“ aus dem Manuskript zu spielen. Es war in einem Zimmer des damaligen Hotels de Bavière, und Schumann, welcher sich in seinen jungen Jahren durch allzu gewaltsame technische Studien am Klaviere eine bis an sein Lebensende andauernde Schwäche des rechten Mittelfingers zugezogen hatte, spielte die untere Partie. Als wir geendet hatten, meinte er: „Die Stücke müssten Sie einmal instrumentieren.“ Als ich dies, viele Jahre später, auf wiederholtes dringendes Verlangen des Verlegers ausführte, musste ich mir dann von einem Kritiker sagen lassen, dass es sehr unkünstlerisch
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