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Und manche liebe Schatten steigen auf

Und manche liebe Schatten steigen auf

Titel: Und manche liebe Schatten steigen auf
Autoren: Carl Reinecke
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Italiener viel prägnanter sagt, zum prima-vista -Spiel angehalten worden war, so konnte ich diese zwölf nicht gerade leichten Sachen zu seiner Zufriedenheit mit ihm spielen, und da während des Vormittags viele Besucher bei ihm erschienen, so mussten die Sachen häufig wiederholt werden; schließlich legte Ernst die sogenannte Kreutzersonate von Beethoven auf, und als wir geendet hatten, sagte er: „Gestern haben Sie in meinem Konzert gespielt, nun müssen Sie ein Konzert geben, und ich werde in dem Ihrigen spielen.“ Natürlich nahm ich dankerfüllt an, und wenige Tage darauf, es war am Freitag den 7. April 1843, gab ich mein Konzert, in welchem Ernst als Solonummer seine berühmte Elegie und mit mir einige der oben erwähnten Pensées fugitives    und die Kreutzersonate spielte. Es wurde mir schwer, mich von dem Manne zu trennen, der mir so viel Güte und eine solche Ehre erwiesen hatte, aber ich wusste, dass ich ihn in wenigen Tagen in Kopenhagen wiedersehen würde. Dort hatte ich allerdings Empfehlungen an den Hof, aber im Übrigen sah es windig genug für mich aus, denn außer Ernst waren noch Ole Bull und der seiner Zeit berühmte Klaviervirtuose Theodor Döhler in Kopenhagen, derselbe Döhler, von dessen vielgespieltem Notturno in Des-Dur einst Robert Schumann sagte, es sei so süß und so kalt wie das Eis, was dazu herumgereicht würde. Diese drei berühmten Virtuosen nahmen natürlich das Publikum der nicht eben großen Residenz dergestalt in Anspruch, dass an mir niemand mehr Interesse nehmen konnte. Ernst gab sein erstes Konzert im Hoftheater und hatte einen Riesenerfolg, so dass er wenige Tage darauf ein zweites Konzert veranstalten musste. Als ich ihn nun am Morgen nach dem ersten Konzerte im Hotel d'Angleterre besuchte, empfing er mich mit den Worten: „Schön, dass Sie kommen, denn ich habe eine Bitte an Sie: Ich habe am kommenden Sonnabend mein zweites Konzert im königlichen Hoftheater, da fehlt mir aber eine Nummer, und so wollte ich Sie bitten, ein Solo zu spielen.“ Der liebenswürdige Künstler wusste, dass ich schwerlich Gelegenheit finden würde, mich in Kopenhagen öffentlich hören zu lassen, wenn er mir nicht dazu die Hand böte, und so wählte er diese Form, um mir einen Wunsch zu erfüllen, den auszusprechen ich niemals gewagt haben würde. Dass ich mich nicht zweimal bitten ließ, begreift jeder. Der Abend des 22. April kam heran, und mit der Unbefangenheit der Jugend trat ich aus den Kulissen heraus und setzte mich an den Flügel, natürlich durch kein Zeichen des Willkommens vom Publikum begrüßt. Ich spielte, so gut ich konnte, ein eigenes Konzertallegro mit Orchesterbegleitung. Kaum aber hatte ich den letzten Akkord angeschlagen, da trat Ernst aus den Kulissen heraus auf mich zu, umarmte und küsste mich angesichts des zahlreichen Publikums und gab dadurch selbstverständlich das Zeichen zu einem Beifall, wie ich ihn sicher nicht verdient hatte. Dass ich solche Herzensgüte nie vergessen kann, ist gewiss begreiflich. Im Jahre 1844 traf ich Ernst wieder in Leipzig, wo er ähnlich wie in Kopenhagen gefeiert wurde. Aus dieser Zeit sind mir zwei denkwürdige Abende im Gedächtnis geblieben: der erste war der des 25. Novembers des Jahres 1844 , als Ernst im Verein mit Bazzini, dem ganz jugendlichen Josef Joachim und Ferdinand David die Conzertante für vier Violinen von Louis Maurer im Gewandhause spielte. Eine gleich brillante Besetzung erfuhr das herrliche Oktett von Mendelssohn-Bartholdy, welches in einer Privatsoirée bei Dr. Hermann Härtel (einem der Chefs der berühmten Firma Breitkopf & Härtel) gespielt wurde, und zwar von den oben genannten Geigern, aber in anderer Folge, nämlich David, Ernst, Bazzini und Joachim, von Niels W. Gade und Otto von Königslöw als Bratschisten, und von den Cellisten Julius Rietz und Andreas Grabau; die Hörerschaft bildete ein Parterre von Königen: Mendelssohn, Robert und Clara Schumann, Moscheles, Moritz Hauptmann, Livia Frege und andere.
    Später traf ich mit Ernst abermals in Kopenhagen zusammen, und wieder war er bemüht, mich zu fördern, so viel er konnte. Es war im Jahre 1847, ich war allerdings inzwischen Hofpianist des Königs von Dänemark geworden, aber trotzdem konnte ich es sehr wohl brauchen, wenn ein kleiner Strahl vom Ruhme dieses Mannes mich traf. Da erbot er sich denn sofort, in den von mir ins Leben gerufenen Kammermusikabenden mitzuwirken, und spielte am 4. Dezember 1847 mit mir ein Klavierquartett meiner Komposition
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