Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und manche liebe Schatten steigen auf

Und manche liebe Schatten steigen auf

Titel: Und manche liebe Schatten steigen auf
Autoren: Carl Reinecke
Vom Netzwerk:
dieses Bild ist mir aber auch die Erinnerung an das Zusammenspiel mit der großen Künstlerin. Von Verabredungen zur Erzielung dieser oder jener Effekte war in der Probe keine Rede gewesen, wir spielten einfach Schumann, wie wir ihn fühlten; und ein freundlicher Händedruck des Meisters bewies uns, dass wir ihm zu Dank gespielt hatten. Vorweg will ich noch ein späteres öffentliches Zusammenspiel mit Clara Schumann erwähnen. Am 19. Dezember 1861 spielte ich mit ihr und mit dem Nestor der Klavierspieler, dem damals siebenundsechzigjährigen Moscheles, im Gewandhaus-Konzert das Tripelkonzert in C-Dur von J.S.Bach. So einfach wie in Bremen war das aber nicht, denn Moscheles wahrte seine Superiorität und wünschte manches anders, wobei ihm zuweilen das Wort „Effekt“ entschlüpfte. Außerdem ging es nicht ohne erheiternde Präliminarien ab, bis er einen ihm zusagenden Stuhl fand. Diese schildert Wasielewski in seinem Buche „Aus siebzig Jahren“ sehr getreu mit folgenden Worten: „Mit skrupulöser Sorgsamkeit prüfte er das ihm dargebotene Exemplar, indem er sich versuchsweise niederließ, um schließlich einen zu niedrigen Sessel zu verlangen. Dieser musste nun mit Hilfe von Notenheften erhöht werden. Aber auch das hatte seine Schwierigkeiten. Moscheles erhob sich wiederholt von seinem Sitz, um entweder noch ein weiteres Heft zur Unterlage zu begehren oder dasselbe gegen ein dünneres zu vertauschen. Nun schien alles in Ordnung zu sein. Doch mitnichten! Noch eine letzte Korrektur erfolgte durch Hinzufügung eines einzelnen Notenblattes. Jetzt zeigte sich Moscheles befriedigt, und es konnte losgehen! Moscheles aber schreibt in seiner Autobiographie über diesen Abend folgendes: „Es war mir ein erhebendes Gefühl, als ich vom Publikum wie ein Vater mit seinen Kindern empfangen wurde, als wir unser Stück wie aus einem Guss vorgetragen und ich beim Hervorruf Frau Schumann an meinem Arm herausführte.“
     Ein häufiger Verkehr aber bahnte sich erst an, als Schumann städtischer Musikdirektor in Düsseldorf geworden war, während ich in Köln als Lehrer am Konservatorium tätig war. Da wurde ich häufig eingeladen, sei es, um der Erstaufführung eines neuen Werkes von Schumann beizuwohnen oder um in einem der von Schumann geleiteten Konzerte zu spielen; dann wohnte ich zumeist bei ihnen und erlebte da manches, was – so harmlos es auch war – doch mit kurzen Worten erzählt werden darf. Einst gab Schumann eine kleine Abendgesellschaft und wurde beim Essen so heiter, dass er schließlich ein Tänzchen vorschlug. Der Vorschlag wurde mit Akklamation angenommen, Tische und Stühle weggeräumt, Clara Schumann und ich spielten abwechselnd zum Tanz, und Schumann walzte sehr vergnügt. Dann aber verlangte er selbst zu spielen, damit ich mit seiner Frau tanzen könne. Meine Versicherung, nicht tanzen zu können und auch in meinem ganzen Leben nie getanzt zu haben, ließ er nicht gelten, versprach mir indessen, langsam zu spielen; aber bald spielte er flotter und – horribile dictu – ich bewies durch die Tat, dass ich nicht tanzen konnte, da ich mitsamt meiner Tänzerin eine harte Begegnung mit dem Fußboden gemacht hätte, wenn nicht rechtzeitig ein wohltätiges Sofa uns freundlich in seine Kissen aufgenommen hätte. Damals lachte Frau Schumann, aber ein andermal war ich Ursache, dass sie dem Weinen nahekam, und das trug sich folgendermaßen zu: Schumann hatte mich aufgefordert, sein Quintett zu spielen, Frau Schumann wendete mir die Notenblätter um, und als wir geendet hatten, sagte sie zu ihrem Manne in etwas gereiztem Tone: „Sag' mal, lieber Robert, warum erlaubst du nur Reinecke, die Tempi so rasch zu nehmen, während ich sie stets ruhiger nehmen muss? Da sagte Schumann mit listigem Augenzwinkern: „Ja, siehst du, liebe Clara, wenn ein Mann schnell spielt, so ist das etwas Andres, als wenn eine Frau schnell spielt.“ Da musste Clara ein Paar Tränen trocknen.
    Wie seltsam zuweilen der Zufall zu spielen vermag, dafür ist ein Beweis folgendes kleine Begebnis. Ich sollte in Köln das Konzert in E-moll von Chopin spielen und bestellte die Orchesterstimmen dazu bei einer Musikalienhandlung in Leipzig; da man aber bei den damaligen Postverbindungen nicht mit Sicherheit auf rasche Zusendung rechnen konnte, so schrieb ich vorsichtshalber auch nach dem nahen Düsseldorf an Frau Schumann und bat sie, mir die Stimmen zu leihen, falls sie dieselben besitze. Wenige Tage darauf hält der gelbe Wagen vor meiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher