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Und manche liebe Schatten steigen auf

Und manche liebe Schatten steigen auf

Titel: Und manche liebe Schatten steigen auf
Autoren: Carl Reinecke
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sonnig-heiteres Quartett von Haydn wie das tiefsinnigste der Beethovenschen Muse zu interpretieren, ebenso gut den romantischen Zauber in Schumanns oder Schuberts Schöpfungen zur Geltung zu bringen wie die schlichte Größe und keusche Anmut Mozarts.
    Abermals zehn Jahre später traf ich mit Joachim am Rhein zu gemeinschaftlichem Musizieren zusammen. Am 2. Februar 1889 hatte die „Bonner Zeitung“ folgende kurze Notiz gebracht: „Das Haus Bonngasse Nr. 20 – Beethovens Geburtshaus – ist für den Preis von 57000 Mark von dem jetzigen Besitzer an Herrn ... hierselbst verkauft worden.“ Es hatten sich nämlich kurz zuvor kunstbegeisterte Männer von Bonn vereinigt, um dieses denkwürdige Haus, in dem der größte Sohn dieser Stadt das Licht der Welt erblickt hatte, zu erwerben und der Nachwelt als ein Denkmal pietätvoller Dankbarkeit zu erhalten. So entstand der Verein „Beethoven-Haus“ zu Bonn. Um die nötigen Mittel zur Durchführung des Unternehmens zu beschaffen, entschloss man sich zur Veranstaltung periodisch wiederkehrender Kammermusikfeste großen Stiles mit mustergültigen Aufführungen. Das erste dieser Feste fand im Jahre 1890 vom 11. bis 15. Mai statt. Joachim war zum Ehrenpräsidenten des Vereins ernannt worden, und sein Quartett war natürlich eine Hauptanziehungskraft. Leider war de Ahna inzwischen aus dem Leben geschieden, jedoch durch einen Schüler Joachims aufs beste Beste ersetzt worden. Auf diesem Feste trug ich u. a. mit Joachim und Alfred Piatti Beethovens Trio Op. 70 Nr. 2 vor. Als wir drei später photographiert wurden, addierten wir unsere Lebensjahre und gewannen die stattliche Zahl von 193. Das zweite Fest wurde im Jahre 1893 vom 10. bis 14. Mai gefeiert, und wieder einmal kam die Zahl „3“ zu ihrem Rechte, denn ich hatte wieder mit Joachim ein großes Trio von Beethoven zu spielen.
     In Kürze sei schließlich noch der beiden Feiern gedacht, die bei der Enthüllung der Denkmäler für Mendelssohn in Leipzig und für Schumann in Zwickau stattfanden. Am 26. Mai 1892 wurde das eherne Standbild Mendelssohns enthüllt, und die Feier gipfelte in einem Festkonzerte im neuen Gewandhause, welches ich leitete und in dem Joachim das Mendelssohnsche Violinkonzert spielte, während wir beide uns am Vorabend bei einer mehr intimen Feier an der Aufführung Mendelssohnscher Kammermusikwerke beteiligten. Die Enthüllung des Schumannmonumentes wurde mit einem mehrtätigen Musikfeste gefeiert, und zwar im Juni 1901. Joachim und ich, als die einzigen noch lebenden Musiker, die Schumann nahegestanden hatten, waren eingeladen, das Fest zusammen mit dem einheimischen Musikdirektor zu leiten und uns zugleich als Ausführende daran zu beteiligen. Als Joachim, während ich das Orchester führte, die Geigenphantasie des Meisters vortrug und plötzlich vor übergroßer Rührung den Faden verlor, ward es auch mir weh ums Herz, und es war wohl zu verstehen, wenn wir uns nach Beendigung des Stückes in den Armen lagen, des so trübe dahingeschiedenen, von uns so geliebten Meisters gedenkend. Das war mein letztes Zusammenwirken mit Joachim.
     
    Nun ist auch er, der große Geigenmeister, heimgegangen. Die jüngere Generation, die ihn nur in seinen letzten Lebensjahren spielen hörte, behauptet oft enttäuscht zu sein, weil sie wohl die Schwächen bemerkte, die durch die gealterten Glieder bedingt waren, nicht aber die Größe seines Stils und die einfache Schönheit seines Vortrages zu würdigen wusste. Man mag es bedauern, dass die Verhältnisse ihn zwangen, noch bis kurz vor seinem Ende öffentlich aufzutreten, aber es fällt darum doch kein Blättchen aus dem immergrünen Lorbeer, der seine edle Stirn umwindet.
     
     

Clara Schumann
     
     

Meine Erinnerungen an Clara Schumann reichen bis in meine Kinderjahre. Es war im Jahre 1834, als ich am Fenster der elterlichen Wohnung stand und sehnsüchtigen Herzens nach dem gegenüberliegenden Altonaer Schauspielhause blickte, wo Clara Wieck in den Zwischenakten als Klaviervirtuosin auftreten sollte; ich wäre gar zu gerne unter der Schar der hineinströmenden Theaterbesucher gewesen, aber mir war's versagt, denn ich hatte die jugendliche, damals fünfzehnjährige Künstlerin schon einige Tage früher in Hamburg gehört, und allzu viel Konzertbillette konnte mein guter Vater nicht für seinen musikhungrigen Sohn kaufen. Aber ich wollte die bewunderte Künstlerin sehen . Endlich kam auch eine Droschke angefahren, und ich sah, wie die Erwartete dem Wagen
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