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Heisskalte Glut

Heisskalte Glut

Titel: Heisskalte Glut
Autoren: Linda Howard
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    Der Tag war wie zum Träumen geschaffen. Es war bereits später
Nachmittag, und die Sonne warf lange Schatten, wo sie durch das dichte
Unterholz hindurchscheinen konnte. Hauptsächlich jedoch verfing sich das
schimmernde Sonnenlicht in den Baumkronen, wodurch der Wald in geheimnisvolles
Dämmerlicht getaucht war. Die heiße, schwüle Sommerluft war von dem süßen Duft
wilder Kirschen durchtränkt, dem eine Note des erdigen Geruchs faulender
Blätter und der Duft frischen grünen Blattwerks beigemischt war. Seit jeher schon
hatten Gerüche für Faith Devlin ihre eigenen Farben gehabt. Bereits als
kleines Mädchen hatte sie sich gerne damit beschäftigt, die sie umgebenden
Düfte in Gedanken zu kolorieren.
    Die meisten Farben hingen dabei vom Aussehen einer Sache ab. Erde
roch selbstverständlich braun, und der frische Geruch grünen Blattwerks
korrespondierte mit der Farbe Grün. Pampelmusen dagegen dufteten grellgelb.
Sie hatte zwar noch nie eine Pampelmuse gegessen, hatte in einem Laden aber
einmal eine in der Hand gehalten und vorsichtig an der Schale gerochen. Der
zugleich süße wie auch säuerliche Duft hatte ihre Geschmacksnerven überwältigt.
    Gegenstände farblich zu bestimmen war einfach. Einen Menschen
jedoch einer bestimmten Farbe zuzuordnen war schon viel schwieriger, denn
Menschen waren niemals nur von einer Farbe, sondern bestanden aus einer
Mischung mehrerer Farbtöne. Farben hatten
bei der Geruchsbestimmung von Gegenständen nicht dieselbe Bedeutung, wie dies
bei Menschen der Fall war. Ihre Mutter, Renee, entsprach einem dunklen,
würzigen Rotton, der mit ein paar schwarzen und gelben Tupfen gesprenkelt war.
Das würzige Rot jedoch dominierte alle anderen Farben. Gelb war gut für
Gegenstände, hatte jedoch nicht dieselbe positive Besetzung, wenn es auf
Menschen zutraf. Mit Grün verhielt es sich genauso, jedenfalls bei den meisten
seiner Schattierungen. Ihr Vater, Amos, war eine Übelkeit erregende Mischung
aus Grün, Lila, Gelb und Schwarz. Das war einfach zu bestimmen gewesen, denn
seit ihrer frühesten Kindheit hatte sie ihn mit Erbrochenem assoziiert.
Trinken und sich übergeben, wieder trinken und sich wieder übergeben, das war
alles, was Papa machte. Und pinkeln natürlich, und zwar reichlich.
    Der schönste Geruch auf Erden, dachte Faith,
während sie durch den Wald streifte und zum Sonnenlicht in den Baumwipfeln
hinaufschaute, ist der Duft von Gray Rouillard. Faith lebte fast ausschließlich
für die wenigen Blicke, die sie in der Stadt von ihm erhaschen konnte. Wenn sie
nah genug an ihn herankam, um seine tiefe, dunkle Stimme zu hören, zitterte
sie vor Freude. Heute war sie ihm sogar nah genug gekommen, um ihn zu riechen! Und er hatte sie endlich einmal berührt! Ihr war immer noch ganz
schwindelig davon.
    In Prescott hatte sie mit ihrer älteren
Schwester Jodie eine Drogerie betreten, weil Jodie aus Renees Portemonnaie ein
paar Dollar geklaut hatte und sich davon Nagellack kaufen wollte. Jodies Geruch
war orange und gelb, ein blasser Abklatsch von Renees Duft. Sie waren aus der
Drogerie gekommen, und Jodie hatte den kostbaren Nagellack in ihrem
Büstenhalter versteckt, damit Renee ihn nicht entdeckte. Jodie trug bereits
seit drei Jahren einen Büstenhalter, obwohl sie erst dreizehn Jahre alt war.
Eine Tatsache, die Faith jedesmal ärgerte, wenn sie daran dachte.
Denn Faith war schon elf und hatte immer noch keine Brüste. Vor kurzem hatten
ihre kindlich kleinen Knospen zu sprießen begonnen, was ihr jedoch eher
peinlich war. Unter ihrem lila LSU-T-Shirt war sie sich ihres entstehenden
Busens nur zu bewußt. Als sie jedoch beim Verlassen der Drogerie fast mit Gray
zusammengestoßen waren, hatte Faith vollkommen vergessen, wie dünn ihr T-Shirt
war.
    »Hübsches Hemd«, hatte Gray bemerkt, wobei
seine dunklen Augen belustigt funkelten. Dann hatte er ihr auf die Schulter
geklopft. Gray verbrachte in diesem Sommer die Collegeferien der Louisiana
State University zu Hause. Er spielte in der LSU-Footballmannschaft, war
neunzehn Jahre alt, bereits einen Meter neunzig groß und wuchs immer noch
weiter. Er wog kompakte achtundachtzig Kilo, wie Faith im Sportteil ihres
Lokalblattes gelesen hatte. Dort hatte sie auch erfahren, daß sein Laufstil
bemerkenswert sei. Und ihr war bewußt, wie schön er war, nicht im niedlichen
Sinn, sondern auf eine wilde, kraftvolle Weise, genau wie das preisgekrönte Rennpferd
Maximilian seines Vaters. Seine französisch-kreolische Abstammung zeigte sich
in dem
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