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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Material fehlt. Vielleicht hat er es schon entdeckt. Vielleicht entdeckt er es in einer Stunde. Vielleicht in zwei Stunden. Vielleicht morgen. Was geschieht dann? Stein wird Aranda anrufen. Was wird Aranda tun? Reden, nehme ich an. Laut und vernehmlich. In der Schweizer Botschaft. Auf einer internationalen Pressekonferenz. Ich bin ganz sicher, daß er reden wird, wenn er begreift, daß das Material sich nun auch in
unserem
Besitz befindet. Und das muß er begreifen, denn Sie und Grant
hatten
es ja schon. Ein bißchen peinlich, wie?«
    »Sie elender …«
    »Nicht doch. Jetzt ist nicht die Zeit zu fluchen. Jetzt ist vielmehr die Zeit, zusammenzuhalten, finde ich. Von hier aus kann ich nichts unternehmen, leider. Und es geht wirklich um Minuten jetzt, das sehen Sie doch ein, mein Lieber …« Der Russe drückte die Gabel des Telefons nieder. Die Verbindung war unterbrochen.
    »Aranda ist immer noch in der Möven-Apotheke«, erklang eine russische Männerstimme aus dem Lautsprecher des Kurzwellensenders.
    »Sie warten weiter, Tolstoi. Bleiben Sie auf Empfang«, antwortete der eine der jungen Männer.
    »Verstanden, Lesskow …«
    Im Lautsprecher krachte es laut, mehrere Male.
    »Was ist das bloß heute?« fragte der zweite junge Mann.
    »Schwere atmosphärische Störungen«, sagte sein Kollege.
    Santarin stand immer noch reglos. Er sah durch ein Fenster des Raumes in die trostlose Dämmerung hinaus, die sich über die Stadt gesenkt hatte, mitten am Tage. Dann griff er nach dem Hörer, hob ihn auf und wählte schnell.
    Fünf Minuten später kehrte der Russe zu Nora Hill zurück. Er entschuldigte sich lächelnd noch einmal für die Unterbrechung.
    »Aber das macht doch nichts«, sagte Nora Hill, gleichfalls lächelnd. Santarin setzte sich.
    »Also«, sagte er, »um nun auf diesen kroatischen Exilpolitiker zu sprechen zu kommen …«

78
    »Jetzt kennst du die ganze Geschichte«, sagte Wolfgang Groll.
    Der Weinhauer Seelenmacher lehnte sich in dem großen Ohrensessel des Arbeitszimmers zurück und sah schweigend auf den Teppich. Groll trug einen Pyjama, einen Schlafrock darüber, Socken und Pantoffeln. Er war, während er erzählt hatte, zwischen den Bücherwänden auf und ab gegangen, vorbei an einem halb geöffneten Fenster, durch das kalte Luft in den überheizten Raum strömte. Hier brannte gleichfalls elektrisches Licht, denn draußen wurde es von Minute zu Minute düsterer. Groll sah schlecht aus. Während seines Berichtes hatte er ein paarmal nach Luft gerungen und Dragees geschluckt.
    Tags zuvor, am Montagnachmittag, war ihm während einer Besprechung mit Kriminalbeamten plötzlich totenelend geworden. Man hatte den Polizeiarzt gerufen. Der kannte solche Anfälle des Hofrats seit Jahren. Er untersuchte Groll und entschied: »Sie fahren auf der Stelle heim und legen sich ins Bett. Da bleiben Sie die nächsten drei Tage. Total überarbeitet.«
    »Unsinn. Mir geht es schon wieder ausgezeichnet«, murrte Groll.
    »Schon wieder ausgezeichnet! Sie wollen also unbedingt so lange schuften, bis Sie glücklich einen Herzinfarkt haben, wie? Wollen Sie das?«
    »Ja«, antwortete Groll. »Das will ich, Doktor. Und zwar einen tödlichen Herzinfarkt natürlich. An meinem Grab sollen keine Reden …«
    »Schluß jetzt!« Der Arzt wurde energisch. Er bestand darauf, daß Groll pausierte, er werde täglich nach ihm sehen.
    Sie stritten. Schließlich wurde Groll von seinem obersten Chef aufgefordert, zu tun, was der Arzt sagte.
    Der fuhr ihn in seinem Wagen (Groll besaß keinen eigenen) heim und kaufte unterwegs noch verschiedene Arzneien. Er wachte darüber, daß Groll sich auch wirklich auszog, ins Bett legte und die Mittel nahm.
    »Es ist doch jeden Winter dieselbe Geschichte, Doktor!«
    »Streifen Sie den Ärmel hoch.« Der Polizeiarzt hantierte mit einer Spritze und gab Groll noch eine Injektion. Danach schlief dieser bald. Er verbrachte eine angenehme Nacht. Am Morgen kam der Arzt wieder.
    »Hören Sie, Doktor, mir geht es gut, ich kann wirklich in den Laden!«
    »Nur über meine Leiche! Sie bleiben im Bett. Abends schaue ich wieder vorbei. Wehe Ihnen, wenn Sie rauchen oder trinken!«
    »Wo werde ich«, sagte Groll. Als dann, eine Stunde später (der Hofrat hatte inzwischen Seelenmacher angerufen und gebeten, ihn zu besuchen und mit ihm Schach zu spielen) Manuel Aranda eintraf, stand Groll, entzückt über den Anlaß, auf, zog einen Morgenmantel an und ging mit seinem Besuch in das Arbeitszimmer.
    »Im Sicherheitsbüro
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