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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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sagte man mir, Sie seien zu Hause. Verzeihen Sie, daß ich einfach herkomme. Aber ich habe Ihnen so viel zu erzählen …«
    Manuel war sehr aufgeregt gewesen. Er hatte kaum geschlafen in dieser Nacht. »Natürlich, wenn es Ihnen schlecht geht …«
    »Mir geht es ausgezeichnet! Die alte Cognacpumpe macht manchmal Geschichten. Sie haben es ja erlebt. Nichts dahinter. Ich werde hundert … Zigarre?«
    »Nein, danke.«
    »Aber ich.« Groll zündete eine seiner geliebten Virginiers an. »Nun erzählen Sie, Manuel!«
    Und der erzählte – alles, was er von Daniel Steinfeld erfahren hatte, alles, was er nun wußte. Eine Stunde lang erzählte er. Groll wanderte hin und her in dem mit Büchern angefüllten Zimmer und unterbrach selten durch eine Frage. Zuletzt sagte er: »Das also ist die Wahrheit. Es tut mir leid für Sie, Manuel, es tut mir ehrlich leid.«
    »Es braucht Ihnen nicht leid zu tun. Ich kenne die Wahrheit, das ist das Wichtigste.«
    »Aber daß Ihr Vater …«
    »Darüber werde ich hinwegkommen«, erwiderte Manuel.
    »Was machen Sie jetzt?«
    Manuel war verlegen geworden.
    »Ich bin mit Irene Waldegg verabredet …«
    Groll nickte.
    »Ich verstehe schon.«
    »Ich rufe an, Herr Hofrat. Und ich besuche Sie wieder. Vielleicht morgen?«
    »Morgen ist fein.« Groll drückte Manuel herzlich die Hand. »Und alles Gute, mein Lieber …«
    Allein, hatte der Hofrat sich in den alten, geschnitzten Sessel hinter seinen Schreibtisch gesetzt und dem Rauch einer zweiten Zigarre nachgeblickt, die ihm nun zwischen den Lippen hing.
    Bald war Seelenmacher erschienen. Groll hatte Tee gekocht und den Samowar auf das Tischchen neben dem Schreibtisch gestellt. Sie schlürften beide die heiße, duftende Flüssigkeit, während Groll seinen Freund informierte, wobei er wieder auf und ab zu gehen begann, weil er so leichter Luft bekam. Endlich war er fertig gewesen und vor Seelenmacher stehengeblieben.
    »Jetzt kennst du die ganze Geschichte.«
    Seelenmacher sah auf den Teppich und schwieg lange.
    »Was hast du?« fragte Groll zuletzt, wobei er ein Fläschchen Magenbitter hervorholte und öffnete.
    »Ich muß an so vieles denken«, sagte der Weinhauer. »Einmal, da erzählte ich deinem Manuel die Geschichte von den sechsunddreißig Gerechten, die es immer auf unserer Welt gibt, immer und zu allen Zeiten, die es einfach geben muß. Doktor Forster ist vielleicht so ein Gerechter gewesen. Daniel Steinfeld ist vielleicht ein solcher Gerechter. Und wenn er stirbt, wird ein anderer seinen Platz einnehmen. Immer wird ein Nachfolger da sein.« Seelenmacher sah auf seine großen Hände. »Ich habe ihm gesagt, daß er Frieden finden wird zuletzt, wenn er alles versteht und alles weiß …«
    »Ich glaube nicht, daß Manuel schon Frieden gefunden hat«, sagte Groll.
    Er trank das Fläschchen leer.
    »Das glaube ich auch nicht.« Seelenmacher sah auf. »Zwei junge Männer gibt es in dieser Geschichte – Manuel Aranda und diesen Heinz Steinfeld. Sie sind einander ähnlich in ihrer Not … ihrer Unruhe, in ihrem Suchen und Verlangen und Wünschen … Sehr ähnlich … Heinz Steinfeld, der hat seinen Frieden ganz gewiß erst im Tod gefunden …«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Als er gestorben war, war alles gut. Vorher nie, bestimmt nicht. Dein Manuel ist davongekommen. Aber das ist nicht mehr der Mann, der nach Wien kam vor zwei Wochen. Das ist ein anderer Mann, Wolfgang. Und ich glaube nicht, daß er jemals über das hinwegkommen wird, was er nun weiß …«
    »Vielleicht zusammen mit einer Frau, die ihn liebt.«
    »Selbst dann nicht …« Seelenmacher schüttelte den Kopf. »Das, was auch in ihm gestorben sein muß, kann niemand mehr lebendig machen. Er ist ein Gezeichneter geworden …«
    In diesem Moment zuckte ein greller Blitz über den Himmel. Unmittelbar darauf krachte überlaut der Donnerschlag. Jäh kam Sturm auf. Der Fensterflügel klapperte. Groll schloß ihn hastig. Wieder blitzte es, und wieder. Der Donner riß nicht mehr ab.
    »Ein Wintergewitter!« Der Hofrat sah auf die Straße hinunter. Es war nun fast Nacht geworden, Autos und Straßenbahnen fuhren mit Licht.
    »Darum war mir gestern so mies. Ich habe das in den Knochen gespürt!«
    Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da begann, mit ohrenbetäubendem Lärm, heftiger Eisregen herabzustürzen. So dicht waren die Körner, daß man das Haus gegenüber nicht erkennen konnte. Die Hagelschloßen knallten auf die Fahrbahn und sprangen von ihr empor. Menschen
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