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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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vierzig Minuten etwa hatte im Büro der Möven-Apotheke das Telefon geläutet. Manuel saß hier auf einem Stuhl, nahe dem Schreibtisch, er kam von Groll und wollte mit Irene in der Mittagspause essen gehen. Das Telefon schrillte ununterbrochen.
    Manuel winkte Irene, die an der Registrierkasse stand. Es befand sich fast ein Dutzend Menschen im Geschäft, viele waren einfach von der Straße hereingeeilt, als das Gewitter losbrach.
    Irene kam schnell in das Büro und hob den Hörer ab.
    »Möven-Apotheke!« Im nächsten Moment ertönte ein heftiger Donnerschlag. Irene fuhr zusammen. »Wer?« Ihr Gesicht erhellte sich. »Oh, Sie sind es. Guten Tag, Frau Barry!« Irene machte Manuel ein Zeichen.
    Er nahm den zweiten Hörer, der auf dem Schreibtisch lag. Brausen, Rauschen und Verkehrslärm klangen an sein Ohr. Mit Mühe verstand er die Frauenstimme.
    »… schon im ›Ritz‹ angerufen, aber …« Der Rest war unverständlich.
    »Wie?« rief Irene. »Ich verstehe so schlecht! Was sagten Sie?«
    »… Herr Aranda nicht im Hotel«, ertönte wieder Bianca Barrys Stimme.
    »Nein, er ist hier, bei mir.« Ein besonders greller Blitz fuhr nieder. Der Donner dröhnte. »Was gibt es, Frau Barry?«
    »Angst …«
    Und Störgeräusche in der Leitung.
    »Was?«
    »Ich habe solche Angst … Deshalb rufe ich Sie an … Bitte kommen Sie … Kommen Sie …«
    »Wohin? Was ist geschehen?« rief Irene.
    Die Verständigung war fast unmöglich, Bianca Barrys Stimme völlig verzerrt und immer wieder für Sekunden unverständlich.
    »Er hat mir verboten …« Das Folgende ging unter.
    »Wer? Was? Ich höre Sie nicht!« schrie Irene. Ein paar Menschen im Verkaufsraum sahen herüber. Manuel schloß schnell die Tür. »Ein Mann … hat mich angerufen … vor zwei Stunden … Roman ist heute und morgen verreist … das muß dieser Mann gewußt haben …«
    »Sind Sie zu Hause?«
    »Eben nicht mehr! Ich spreche … Telefonzelle … schon in der Stadt … Schwarzenbergplatz …«
    »Was machen Sie dort?«
    »… dieser Mann hat uns gesehen … als wir in Fischamend waren … Ich bin schuld …«
    »Sie?
Woran?«
    »An allem … habe Sie angelogen …«
    »Sie haben uns …«
    »Angelogen,
ja! Ich
konnte
einfach nicht die ganze Wahrheit erzählen …«
    »Welche ganze Wahrheit?«
    »Über Heinz … und seine Mutter … und den Vater von Herrn Aranda …«
    »Sie wissen die ganze Wahrheit über die alle?«
    »Ja … ja! Aber ich habe sie Ihnen nicht gesagt …«
    »Warum nicht?«
    »… zu furchtbar … zu schrecklich … selber dabeigewesen …« Blitz. Einschlag. Blitz. Einschlag
    »… will mich erpressen … dieser Mann … wenn ich nicht tue, was er sagt … braucht mich … muß es tun … sonst sind Sie in Gefahr … Lebensgefahr …«
    »Aber …«, begann Irene verstört.
    Manuel nahm ihren Hörer und gab ihr den seinen. Er schrie: »Sie
müssen
uns die ganze Wahrheit sagen, Frau Barry! Verstehen Sie? Sie
müssen
sie uns sagen!«
    »Das will ich ja … bevor ich den Mann treffe … alles sollen Sie wissen … kommen Sie, kommen Sie, bitte … schnell … er wartet auf mich in einer Stunde … bis dahin …«
    »Wo wartet er?«
    »Fischamend … ›Merzendorfer‹ … dieses Restaurant …«
    »Wie wollten Sie da hinkommen?«
    »… Straßenbahn bis Zentralfriedhof … dann Autobus … Ich sage Ihnen alles, bevor ich diesen Mann sehe … Angst …«
    Manuel sagte schnell: »Wo treffen wir uns?«
    »Zentralfriedhof … Haupteingang … Straßenbahnhäuschen …«
    »Wir kommen, so schnell wir können«, sagte Manuel. Er legte den Hörer nieder und sah Irene an. »Sie hat uns angelogen! Sie weiß die Wahrheit, die
ganze Wahrheit!
Jetzt werden wir sie erfahren!«
    »Aber Daniel hat sie doch schon erzählt!«
    Blitz. Einschlag. Blitz. Einschlag.
    »Vielleicht kennt auch er sie nicht! Wir müssen jedenfalls zum Friedhof … los, komm, schnell …«
    Irene, angesteckt von seiner Aufregung, streifte ihren weißen Kittel ab, setzte sich, zog die Seehundfellstiefel an, danach ihren Seehundfellmantel und griff nach der Pelzmütze. Sie liefen in den Verkaufsraum hinaus.
    »Ich muß dringend weg!« rief Irene einer Angestellten zu.
    »Wann kommen Sie wieder? Wohin …« Das Mädchen brach ab. Irene und Manuel waren schon aus dem Geschäft geeilt.
    Eine Minute später fuhren sie bereits durch das Gewitter.
    »Bianca Barry! Also sie wußte immer die Wahrheit«, sagte Manuel, mit aller Vorsicht den
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