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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Clairon. So besaß er eine Schießscharte für seine ›Springfield‹. Der Lauf berührte als Fixierungspunkt die große linke Marmorzehe des monströsen Engels.
    David Parkers Dufflecoat war durchnäßt, der Stoff war schwer geworden. Parker wartete schon seit einer Dreiviertelstunde hier. Er hatte das Ende des Unwetters im Freien überstanden, fluchend, die Kapuze seines Mantels hochgeschlagen und frierend.
    Es ging nicht anders. Diesmal wollte er nicht erst im allerletzten Moment zur Stelle sein, diesmal hatte Gilbert Grant ihn rechtzeitig losgeschickt, gleich nachdem diese Frau namens Gerda mit ihrem Telefongespräch fertig gewesen war. Dann hatte er Gerda, die er zum erstenmal sah, im Wagen mitgenommen bis zu einer Straßenbahnstation auf der Simmeringer Hauptstraße. Er mußte warten, während sie in einer Telefonzelle ein Gespräch führte. Gerda sollte die Tram benützen für das letzte Stück des Weges, das war ihr eingeschärft worden von Gilbert Grant, diesem Versoffensten aller Auftraggeber. Eine Fahne hatte der Kerl wieder mal gehabt, eine Fahne!
    Parker schüttelte sich angewidert, als er daran dachte, wie Grant ihm in dem Büro am Ende der riesigen Lagerhalle der Firma AMERICAR seine Aufgabe zu erläutern versucht hatte. Er war zu aufgeregt gewesen, der Süffel, um richtig reden zu können. Ein höchst elegant gekleideter Russe, Sartorin oder so ähnlich – Parker hatte den Namen nicht verstanden –, mußte den Scharfschützen richtig ins Bild setzen und ihm genau sagen, was er zu tun hatte.
    David Parker wußte, daß eine Panne passiert war, daß es nun um sehr viel ging, daß er nicht versagen durfte. Ich werde schon nicht versagen, dachte er. Ich habe noch nie versagt.
    Parker war bereits einige Zeit in Wien, Grant hatte ihn aus New York hergerufen.
    »Routine. Wir wollen dich jetzt nur hier haben. Es wird gar keine Arbeit geben, wir erledigen diese Sache ganz friedlich. Reine Sicherheitsmaßnahme.«
    Offenbar eine kluge Sicherheitsmaßnahme, denn plötzlich, sehr, sehr plötzlich, sollte diese Sache nun durchaus nicht friedlich erledigt werden, Parker ahnte nicht, weshalb. Er fragte auch nicht. Er fragte nie, er wußte, daß seine Bosse ihm doch nie die Wahrheit sagten. Grant hatte ihm wieder den großen weißen Lincoln gegeben, den er das letzte Mal benutzt hatte, aber diesmal war Parker vorsichtshalber durch Tor III in den Friedhof eingefahren. Vielleicht tat am Hauptportal der Pförtner von damals Dienst und erkannte ihn. Parker hatte seinen Wagen auch ein weites Stück entfernt stehenlassen und war zu Fuß hierhergegangen.
    Clairon hat sich damals einen idealen Ort ausgesucht, dachte der Amerikaner. Wirklich den besten weit und breit. Ob er immer noch hier liegt, unter dem vielen Schnee? Parker trat ein paarmal hin und her. Er glaubte, hartgefrorene Unebenheiten festzustellen. Ich stehe auf ihm, dachte er.
    Der Gedanke erheiterte ihn.
    Parker sah die Allee hinauf.
    Immer noch nichts.
    Nun, der Wagen würde schon kommen. Es freute Parker, daß plötzlich die Sonne schien. Er dachte an die nicht mehr ganz junge Frau namens Gerda in dem kleinen Raum mit der Stahltür, in dem dieser Russe und dieser aufgeschwemmte Grant vor dem Kurzwellensender gesessen und einen regen Funkverkehr geführt hatten, den sie abbrachen, bevor Gerda, die gewiß ganz anders hieß, ihr Telefongespräch anfing.
    Komisches Gespräch. Mit einer Frau Barry oder so ähnlich. Gerda tat, als wollte sie unbedingt ein Bild kaufen – diese Frau Barry, wer immer das war, mußte mit einem Maler verheiratet sein und alle seine geschäftlichen Angelegenheiten erledigen. Es wurde eine lange Feilscherei, dann versprach Gerda, jene Frau aufzusuchen.
    Sie hängte ein.
    »Hat es genügt?« fragte der Russe.
    »Vollkommen.« Gerda nickte.
    »Lassen Sie hören!«
    Daraufhin begann Gerda, während draußen das Gewitter losbrach, mit einer völlig anderen Stimme zu reden – sie ahmte ohne Zweifel Frau Barry nach. Gerda schien eine Spezialistin für das Imitieren von Stimmen zu sein.
    »Ausgezeichnet! Sie fahren also los! In der Simmeringer Hauptstraße gehen Sie in eine Telefonzelle und rufen die Apotheke an. Aranda ist immer noch dort mit der Waldegg, melden unsere Wagen. Sie wissen, was Sie zu sagen haben?«
    »Ja.«
    »Warten Sie, bis das Gewitter ganz arg geworden ist. Möglichst viele Geräusche von Blitzen in der Leitung! Donner, Krach, Störungen, das ist wünschenswert.« Der Russe wandte sich an Parker. »Sie bleiben solange
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