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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Wagen lenkend. »Die ganze Wahrheit. Wieso
sie?
Und wer ist dieser Mann? Was will er von ihr?«
    »Ich weiß nicht, Manuel …
Achtung!
Der Laster!« Er verriß das Steuer. Um Zentimeter vermied er einen Zusammenstoß. »Vielleicht weiß Daniel wirklich nicht alles …«
    »Der Mann hat uns in Fischamend beobachtet! Da haben uns auch Leute von Santarin beobachtet. Santarin hat Groll extra angerufen und ihm das zur Beruhigung mitgeteilt. Wer also ist …?«
    »Wir werden hören, was die Barry sagt … nicht reden jetzt … Wir haben sonst noch einen Unfall …«
    Sie hatten kaum noch geredet auf der langen Fahrt.
    Die Simmeringer Hauptstraße schien Manuel endlos.
    »Ein Uhr fünfzehn. Sie muß längst da sein. Längst!«
    »Wir schaffen es ja, Manuel, beruhige dich … Das Gewitter ist auch schon vorbei …«
    Tatsächlich war das Unwetter über diesen Teil der Stadt bereits hinweggezogen, die Wolkendecke hatte sich gelichtet.
    Die Häuser wurden kleiner. Zur Rechten erblickte Manuel nun die kilometerlange Mauer des Zentralfriedhofs. Von Hagelschloßen weiß bedeckt waren die schmutzigen Schneehaufen an den Straßenrändern.
    »Wir sind da«, sagte Manuel. Er fuhr auf den freien Platz vor dem mächtigen Haupteingang. Ein paar Taxen standen hier, die Chauffeure plauderten. Sonst war kein Mensch zu sehen.
    »Wo ist Frau Barry?« fragte Manuel. Das gläserne Wartehäuschen bei der Straßenbahn lag verlassen.
    Irene kurbelte ein Fenster herunter und blickte in die Runde.
    »Nichts«, sagte sie.
    Aus der Pförtnerloge rechts vom geöffneten Portal trat ein Mann und kam winkend, mit strahlendem Lächeln, das seine gelben Zähne entblößte, auf sie zu. Manuel starrte ihn an.
    »Wer ist das?« Dann fiel es ihm ein. »Der Pförtner von damals! Als wir uns hier zum erstenmal trafen! Erinnerst du dich?«
    »Ja«, sagte Irene. »Und er scheint sich an uns zu erinnern.« So war es.
    »Da sind Sie ja, Fräulein! Und der Herr auch!« Der kleine alte Pförtner in seiner dunklen Uniform hob grüßend eine Hand an die Tellerkappe, während er sich zu dem geöffneten Wagenfenster neigte. Das spitze Gesicht war wieder sehr weiß, die Ohren und die Nase waren gerötet, auch die Augen. Nikotinverfärbt hing der Walroßschnurrbart herab. »Hab schon Ausschau gehalten nach Ihnen. Sie sind doch hier verabredet mit einer Dame, gelt?«
    »Ja«, sagte Irene. »Woher wissen Sie das?«
    »Frau Barry, stimmt’s?«
    »Stimmt«, sagte Manuel. »Haben Sie mit ihr gesprochen?«
    Der alte Pförtner nickte.
    »Wie sie gekommen ist mit dem Einundsiebziger, da hat es noch mächtig gehagelt. Drüben in das Straßenbahnhäusel ist sie gelaufen, ich hab es gesehen. Dann hat das Sauwetter aufgehört. Sie ist so hin und her gewandert. Und auf einmal ist sie zu mir gegangen und hat gesagt, daß Sie kommen werden, Fräulein Waldegg und Herr … Herr Aman …«
    »Aranda.«
    »Ja. Aber daß das noch eine Weile dauern wird. Furchtbar nervös war sie. Will hier nicht herumstehen, hat sie gesagt. Sie geht zum Grab von der Frau Steinfeld einstweilen, hat sie gesagt. Und ich soll es Ihnen sagen. Möchten so gut sein und hinkommen. Sie wartet dort.«
    »Sie ist zum Grab gegangen?« Manuel neigte sich über Irene und sah den Pförtner an.
    »Sag ich doch! Weg hier. Hat hier nicht warten wollen. Weiß nicht, warum. War ja auch wieder vorbei, das Gewitter. Wollen der Herr einen Einfahrtschein?«
    »Ja, bitte.«
    Dröhnend, schon in den Wolken, brauste eine eben gestartete Maschine über sie hinweg.
    Der Pförtner riß einen Schein vom Block. Manuel gab ihm zwanzig Schilling.
    »Ich danke vielmals, Herr Baron!« Der Pförtner salutierte wieder. Lächelnd sah er dem Wagen nach, der in die Allee hineinfuhr, welche das Haupttor mit der Dr.-Karl-Lueger-Kirche verband.

80
    Die Krähen schrien, die Krähen kreischten, die Krähen krächzten.
    Zu Hunderten hockten sie, dicht nebeneinander, in dem kahlen Geäst der alten Bäume an den Alleerändern, groß und scheußlich. Ihr heiseres, lautes Geschrei erfüllte die Luft.
    Manuel lenkte den Mercedes um das Rondell vor der Kirche und bog in die Allee, die nach Südwesten ging. Auf den Wegen hatte sich eine neue körnige Eisschicht gebildet. Manuel konnte nur ganz langsam fahren. Noch viel mehr Schnee war gefallen, seit er zum erstenmal hier mit Irene gesprochen hatte. Der Schnee lag auf Gräbern und Grabsteinen, Sträuchern und Büschen, auf den Ulmen, Zypressen, Platanen, den Ahorn- und Kastanienbäumen. Da war sie
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