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Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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wie sie einen schmächtigen Asiaten, den sie um zwei Haupteslängen überragt, zum Traualtar zerrt, da fragt sie: «Kennen Sie vielleicht den Turm zu Babel? Das ist so ein Konzeptrestaurant. Da ist er der Sushi-Tsu.»
    Das Bild des schmächtigen Japaners löst sich in Luft auf, und vor meinem geistigen Auge taucht die imposante Statur des japanischen Kampfsportkochs aus dem Turm zu Babelauf.
    «Nein. Kenne ich nicht, aber werde ich sicher mal ausprobieren», lüge ich.
    Sie nickt versonnen und setzt den Blinker. Langsam entfernen wir uns von der City. Wir schweigen eine Weile.
    «Was die Sache mit Ihrem Bruder betrifft, da bin ich tatsächlich nicht mehr zuständig», sagt sie plötzlich. «Und ich habe heute wirklich keinen Dienst. Falls Sie also observiert werden, dann sicher nicht von einem meiner Mitarbeiter.»
    «Und Sie fahren mich trotzdem heim?», erwidere ich. «Das ist wirklich nett von Ihnen. Danke.»
    «Das mache ich gern. Ich will ja nicht gleich behaupten, dass ich Ihnen etwas schuldig bin, aber ich gebe zu, dass ich Ihnen das Leben nicht eben leicht gemacht habe. Es war mir nämlich schon ein persönliches Anliegen, Ihren Bruder zur Strecke zu bringen.»
    «Ein persönliches Anliegen?», frage ich. «Wieso das? Und wieso: war?»
    «Ganz einfach. Weil die Sache mich persönlich anging. Meine Mutter bezieht eine kleine Pension aus einem Fond, den Ihr Bruder ruiniert hat. So ist es ja meistens: Wenn drei Milliarden verschwinden, dann betrifft das erstaunlicherweise nie ein paar hundert Millionäre, sondern immer ein paar hunderttausend arme Schweine. Und ich war überzeugt davon, dass die Sache im Fall Ihres Bruders genauso liegen würde.»
    «Aber?», frage ich gespannt.
    «Aber Ihr Bruder hat es geschafft, die Verluste in Kapitalgesellschaften zu bündeln, deren Kundschaft so exklusiv ist, dass diesmal nur reiche Leute den Schwarzen Peter gezogen haben. Fragen Sie mich nicht, wie er das gemacht hat. Einer unserer Finanzexperten hat versucht, es mir zu erklären. Aber leider vergeblich.»
    Wir sind da. Sie lenkt den Wagen auf den Seitenstreifen.
    «Für mich ist jedenfalls die Hauptsache, dass meine Mutter ihre Pension behält. Dafür hat Ihr Bruder wundersamerweise gesorgt», fährt sie fort. «So seltsam es klingt, aber ich muss ihm in dieser Hinsicht dankbar sein.»
    Ich schaue hinaus. Immer noch ist der Himmel von Feuerwerk erleuchtet.
    «Danke, dass Sie mir das erzählt haben», sage ich. «Ich bin froh, dass mein Bruder wenigstens ein bisschen Ganovenehre im Leib hat.»
    Sie lächelt. «Mehr noch. Es spricht einiges dafür, dass er auch deshalb getrickst hat, weil er seinen Leuten helfen wollte. Das ist zwar nicht aus purer Nächstenliebe geschehen, denn es ging ja auch um seinen Kopf, aber wenn ich das richtig einschätze, dann hat Ihr Bruder beschlossen, alles auf seinen Deckel zu schreiben, damit die anderen aus der Schusslinie sind.»
    «Und warum?», frage ich.
    Sie zuckt mit den Schultern. «Würde mich auch interessieren. Es sieht jedenfalls nicht danach aus, dass er relevante Summen für sich zur Seite schaffen konnte. Vielleicht ist er am Ende ja doch ein ehrlicher Kerl, der einfach nur Pech hatte.»
    «Klingt fast so, als würden Sie ihn am liebsten laufen lassen», unke ich.
    «Er hat gute Chancen, auch so davonzukommen. Vorausgesetzt, er ist clever genug, da zu bleiben, wo er ist. Aber ich glaube, in Sachen Cleverness steckt Ihr Bruder uns beide in die Tasche.»
    Ich öffne die Autotür.
    «Grüßen Sie ihn von mir», sagt sie.
    Ich nicke und lasse die Tür ins Schloss fallen.
    Wenig später sitze ich im Dunkeln am Schreibtisch meines Vaters. Ich habe hinter der Gesamtausgabe von William James einen sehr alten Brandy gefunden, und diesmal trinke ich ein Glas auf Bartholomäus Jakobi. Die Lichtblitze der Silvesterraketen zucken über die Wände. Man hört das Feuerwerk hier nur noch als fernes Gewitter.
    Erst jetzt schalte ich die Schreibtischlampe ein und öffne die obere rechte Schublade, um zu sehen, was Mutter hier für mich deponiert hat.
    Es sind Tickets für eine Kreuzfahrt, ausgestellt auf ihren Namen. Die Route führt von Hamburg über London nach Miami, es folgen die Bahamas und dann … ich stocke beim Lesen … Kuba.
    Ich rechne rasch aus, dass ich in knapp zwei Wochen in Havanna sein werde. Das Schiff legt übermorgen ab. Genug Zeit, um die Formalitäten zu erledigen und eine neue Badehose zu kaufen. Zufrieden gieße ich mir noch einen Brandy ein.

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